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Weichbildsrecht und Burgrecht. Herr Professor Dr. Sohm macht in seiner Schrift Die Entstehung des Deutschen Städtewesens[1], Leipzig 1890, S. 25 ff. den Versuch, die beiden Ausdrücke Weichbildsrecht und Burgrecht, die sich neben Marktrecht für Stadtrecht finden, zu identificiren. Nach ihm heisst Weich befestigtes Haus, Burg, Weichbild also Burgbild, nicht Orts- oder Stadtbild, wie Schröder will[2]. Weichbildsrecht und Burgrecht bedeuten ihm dasselbe, nämlich das Recht, das in einem befestigten Hause, in einer Burg, und zwar in einer ganz bestimmten Burg, nämlich der des Königs gilt (vgl. S. 28 ff.).

Die Erklärungen Sohm’s sind nicht haltbar; einerseits heisst Weichbild nicht Burgbild, sondern Stadtbild, Ortsbild; andererseits bedeutet Burg, wie es uns in Burgrecht entgegentritt, nicht befestigtes Haus, Ritterburg, Königsburg, sondern Ort, Stadt. Beide Ausdrücke bezeichnen zwar denselben Gegenstand und sind identisch, aber nicht im Sinne Sohm’s. Sohm ist zu seiner Erklärung von Weichbild als Burgbild durch das Wort Weichhaus, Wichhaus, wichhuz, wighus veranlasst worden. Nun bedeutet freilich letzteres „befestigtes Haus“ – bekanntlich waren die Wichhäuser Vertheidigungsthürme auf den Stadtmauern[3] –, wir können aber den Begriff Wichhaus nicht zur Erklärung von Weichbild heranziehen, denn beide Worte sind sprachlich nicht im geringsten verwandt. In wichhus tritt uns die Wurzel wig kämpfen entgegen, vgl. got. weigan, weihan, ahd. wihan kämpfen, mhd. wîgant der Kämpfer, eig. kämpfend, ferner wîgcot Kampfgott, wigsaca Kampf, wigstat Kampfplatz, wigsalic kampfglücklich, siegreich. Auch der Name Wichmann gehört hierhin. – Wig heisst also Kampf, wighus demnach eigentlich Kampfhaus und nicht befestigtes Haus. In Weichbild finden wir diese Wurzel wig kämpfen nicht, sondern die Wurzel wich, – ahd. mhd. wich, as. afr. wic, ags. vîc, an. vîk, holl. wyk, wijk –, die immer Ort und nicht Haus bedeutet. Brunswich ist der Flecken des Bruno, nicht das Haus, die Burg des Bruno – vgl. niederl. wijk Stadtviertel –, Weichbild heisst also Ortsbild. Nach den schönen Ausführungen Schröder’s wird ja wohl Niemand mehr an der alten Deutung „Heiligenbild“ von wîh, got. weihs heilig festhalten.

  1. Eine eingehendere Auseinandersetzung mit der Sohm’schen Schrift, aus der Feder E. Bernheim’s, wird unser nächstes Heft enthalten. [Red.]
  2. R. Schröder, Weichbild, in: Historische Aufsätze dem Andenken von Waitz gewidmet. 1886. S. 317. Ferner Lehrbuch der Dt. Rechtsgeschichte. 1889. S. 591.
  3. Gengler, Stadtrechtsalterthümer S. 7: daz wichhuz ist eyne where, die gebuwit wirt uf der stat muwer – vgl. S. 356.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_086.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2023)