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Das Deutsche Geistesleben unter den Ottonen.
Von
Karl Lamprecht.


I.

Die weltgeschichtliche Aufgabe der Fränkischen Monarchie der Merowingen[WS 1] und der Karlingen[WS 2] war es gewesen, eine erste Einwirkung des antiken und des christlichen Geistes auf die Germanische Entwicklung anzubahnen. Zu diesem Zwecke bedurfte es keiner eigenartig entwickelten Verfassung dieser Reiche im Sinne einer tieferen Organisation des Volkslebens. Sie ist in der That auch nur von Karl dem Grossen[WS 3] versucht worden; im Allgemeinen hat man sich mit einer Gewalt der Centralregierung im Sinne der Despotie begnügt.

Allein eine solche Gewalt war ungermanisch und konnte einen Theil ihres Rechtes nur aus Römischer Tradition ableiten. So hat es schon im Merowingischen Hause nicht an Römischer Regierungsverfassung unter Germanischer Form gefehlt; wie weit sie der Dynastie in’s Blut gedrungen, zeigt die entscheidende Rolle, welche Frauen während des 6. und 7. Jhs. wiederholt als Königinnen in ganz ungermanischer Weise gespielt haben.

Mit der Stärkung des Königthums unter den Karlingen, vollends mit Annahme des Kaiserthums durch Karl den Grossen entfaltete sich der Römisch-absolutistische Zug der Regierung noch mehr, wenigstens insofern man das Staatsideal der spätrömischen Zeit in dem Gedanken findet, dass innerhalb des Staatsgebietes nur Eine wirkende Kraft bestehe, die monarchische Gewalt, die von oben herab, von Einem Mittelpunkte her gleichmässig und gleichartig, möglichst ohne Unterscheidung räumlich und geschichtlich charakterisirter Gliederungen auf das Ganze wirke. Schon Pippin[WS 4] entwickelte neben den alten Volksrechten

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Die Merowinger (seltener Merovinger) waren das älteste bekannte Königsgeschlecht der Franken vom frühen 5. Jahrhundert bis 751.
  2. Karolinger ist der Hausname des Herrschergeschlechts der westgermanischen Franken, das ab 751 im Frankenreich die Königswürde hatte.
  3. Karl der Große
  4. Gemeint ist Pippin der Jüngere (* 714; † 24. September 768 in Saint-Denis bei Paris). Vater von Karl dem Großen und Karl Martell. Seit 751 König der Franken.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_001.jpg&oldid=- (Version vom 26.1.2023)