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zu verlangen. Das rein formelle Vorrecht, seinen Namen in Urkunden und öffentlichen Denkmälern denen der anderen Herrscher vorzusetzen, liess er Constantin gern, nicht aber das Recht der Gesetzgebung. Dieses sollte beiden Kaisern selbständig zustehen, und obgleich jedes Gesetz und jede Verordnung nach wie vor die Namen sämmtlicher Mitregenten an der Spitze trug, sollten sie doch nur für den Reichstheil Gültigkeit besitzen, durch dessen Beherrscher sie erlassen waren. Um die Einheit des Reiches nach Diocletians Princip wenigstens im Rechte zu wahren, hatte Constantin sechs Jahre lang auf jede Neuorganisation in grossem Stile verzichtet und sich entsagungsvoll den Beschlüssen seines ältesten Collegen gebeugt. Jetzt, wo er endlich dessen Rang selbst gewonnen und schon mit hastigem Feuereifer die Umgestaltung des Römischen Rechtes in Angriff genommen hatte, konnte er auf dessen Einheitlichkeit nicht verzichten. Wahrscheinlich gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen ihm und Licinius, welche in der kurzen Zeit, die sie in Mailand zusammen waren, kaum zu einem Ergebniss geführt haben werden. Als sich dann die Kaiser getrennt hatten, fragte der Beherrscher Illyricums natürlich nicht mehr um Erlaubniss, wenn er ein Gesetz erlassen wollte, und um Bürgerkriege zu vermeiden, musste Constantin es dulden[1]. Wieder war ein Stück des Diocletianischen Systems, um dessen Aufrechterhaltung er so ängstlich bemüht war, dem Zwange der Umstände zum Opfer gefallen.

Noch grössere Schwierigkeiten musste die Theilung von Maxentius’ Erbschaft machen, da es sich hier nicht um blosse Rechte, sondern um sehr reelle Machtfragen handelte. Constantin zeigte sich nachgiebig bis zur Unvorsichtigkeit, vielleicht weil er dadurch sein Gesetzgebungsprincip zu retten vermeinte. Den wichtigsten Bestandtheil der Kriegsbeute, das grosse Heer, theilte er ohne Zögern zwischen sich und Licinius[2], und auch das eroberte Land wollte er nicht behalten, sondern einem Cäsar übergeben, auch hierin auf die Diocletianische Ordnung zurückkommend[3]. Für diese Entsagung musste er freilich verlangen, dass

  1. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X, S. 179 ff.
  2. Eumen. Paneg. IX, 21: Rheno Danuvioque praetendunt. Da der Donaulauf in seiner ganzen Länge dem Licinius gehörte, muss hiernach ein Theil des Maxentianischen Heeres schon vor dem Herbst 313, wo diese Rede gehalten wurde, ihm übergeben sein.
  3. Anon. Vales. 5, 14.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_326.jpg&oldid=- (Version vom 3.2.2023)