Seite:De DZfG 1892 07 333.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Meilen von einander entfernt; in den nächsten Tagen musste die Entscheidung erfolgen[1].

Licinius wusste, mit welcher Siegeszuversicht die Soldaten Constantin’s durch das Traumbild ihres Herrn erfüllt worden waren, mit welcher Begeisterung sie unter dem Zeichen Christi gefochten hatten. Dass Maximinus sich ebenso, wie vor Kurzem der Römische Tyrann, mit Ostentation unter den Schutz der alten Götter gestellt hatte, war allbekannt. Selbst wenn Licinius den Aberglauben seiner Landsknechte nicht getheilt hätte, musste ihm doch der Gedanke kommen, die Mittel, welche sich an der Milvischen Brücke bewährt hatten, auch auf dem neuen Schlachtfelde zu versuchen. Das heilige Monogramm auf den Schilden der Soldaten anzubringen, reichte die Zeit nicht mehr; aber seinen Traum hatte auch Licinius, und noch in der Nacht dictirte er einem Schreiber das Gebet, welches ihm angeblich ein Engel als siegbringende Zauberformel vorgesagt hatte. Alsbald wurde es in vielen Exemplaren abgeschrieben und im Heere verbreitet. Selbst darin suchte er Constantin nachzuahmen, dass er anfangs die Schlacht auf den Thronbesteigungstag seines Feindes ansetzte; aber das Omen, welches Licinius suchte, schreckte Maximin. Er rückte schon am Tage vorher, den 30. April 313, in’s Feld, und sein Gegner wies die angebotene Schlacht nicht zurück. Zwischen Tzirallum und Drizipara, auf einem flachen, unbebauten Felde, das den Namen Campus Serenus führte, trafen die Heere auf einander; 30 000 sollten sich mit 70 000 messen.

Den Soldaten Maximin’s war es oft gesagt, dass die Armee des kargen Licinius nur der Gelegenheit harre, um einen freigiebigeren Kaiser zu gewinnen, und gleich beim Beginn des Kampfes übergehen werde; sie erwarteten gar keinen ernstlichen Widerstand. Da sahen sie, wie die feindlichen Reihen vor ihnen aufmarschierten und wie jeder Soldat, als sie in Schlachtordnung standen, seinen Schild neben sich stellte und sein Haupt entblösste. Ein dumpfes, unheimliches Gemurmel tönte herüber; es war das Zaubergebet des Engels, welches nach Licinius’ Befehl von allen dreimal hergesagt wurde. Dann setzten sie ihre Helme wieder auf, ergriffen ihre Schilde und machten sich zum Angriff bereit. Die orientalischen Truppen, deren Aberglauben

  1. Lact. de mort. pers. 45; 46; Anon. Vales. 5, 13.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_333.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)