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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

Sämtliche Aufseher wurden verhört, ohne Erfolg. Da beging der sonst so kluge Herr Oberamtsrichter die Dummheit, den Verteidiger zu beschuldigen, er habe den Ring aus dem Gefängnis hinausgeschafft. Es fehlte nicht viel, so wäre es zu einem Duell gekommen.

Die Verhandlung gegen den Referendar endigte, wie erwartet, mit einem Freispruch. Ich freute mich, als ich das hörte, und hoffte, er sei über alle Berge.

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Einige Zeit vor der Hauptverhandlung ließ mich der Staatsanwalt, mit dem ich bis dahin nur flüchtig zu tun gehabt hatte, zu einer längeren Auseinandersetzung in seinem Amtszimmer vorführen. Er hielt mir eine Rede, die man wohl als salbungsvoll bezeichnen konnte. Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand – behauptet ein deutsches Sprichwort, das im Ausland viel belächelt wird; hier in diesem Falle war ein Zweifel sicher verzeihlich.

Er äußerte sich mit Bitterkeit über mein sogenanntes „Verteidigungssystem“. Das möge vielleicht in Amerika am Platze sein, aber nicht in Deutschland. Es sei auch ganz falsch und könne für mich nur schlimme Folgen haben. Unsägliche Schererei hätte ich ihm verursacht durch meine Verstocktheit. Alles wäre so viel leichter gewesen und für alle Teile befriedigender, wenn ich gleich am Anfang der Untersuchung den Mut gehabt hätte, mich zu meinem Verbrechen zu bekennen. Genützt habe mir ja mein Leugnen doch nichts, denn das Ziel sei auch so erreicht; so z.B. habe er da gerade den Bericht des Sachverständigen zur Hand – er hob ein umfangreiches Schriftstück in die Höhe –, worin mit großem Scharfsinn der Nachweis geführt sei, daß niemand anders der Absender des Pariser Telegramms gewesen sein könne als ich; die Verwendung der Majuskeln habe dem Graphologen die Bildung des Urteils zwar sehr erschwert, aber doch nicht unmöglich gemacht.

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/106&oldid=- (Version vom 31.7.2018)