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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

Fall biete zwar ungewöhnliche Schwierigkeiten, die ihn zu langen und gründlichen Ausführungen über die verschiedenen Seiten des Problems nötigten, aber nichtsdestoweniger gebe er sich der Hoffnung hin, daß es ihm gelingen werde, dem Hohen Gerichtshof eine restlos befriedigende Aufklärung zu liefern und jeden Zweifel zu zerstreuen. Sprach's, setzte seinen Kneifer auf, nahm eines der Papiere zur Hand, räusperte sich und war im Begriff, sich kopfüber in die Lösung des Rätsels hineinzustürzen. Da war ich Unmensch genug, ihm den schon mit den Fingerspitzen der Rechten erfaßten Lorbeer zu entreißen. Ich erhob mich und gab die Erklärung ab, ich wollte dem Herrn Sachverständigen die Mühe ersparen dadurch, daß ich die Absendung des Pariser Telegramms einräume. In meinem Leben werde ich den grimmigen Blick nicht vergessen, den mir der Mann zuschleuderte, als er unverrichteterdinge abtreten mußte.

Der gerichtlich vereidigte Übersetzer der englischen Papiere gab zu, daß er den Satz in dem Schreiben der Londoner Bank: „The loss must fall on your shoulders“ fälschlich wiedergegeben hatte: „Der Verlust muß auf unsere Schultern fallen“ – anstatt „auf Ihre Schultern“. Nun versuchte der Staatsanwalt zwar noch nachträglich aus der immerhin dunklen Sache – ich hatte mir in Wien 10000 Mark als Rest eines meiner Kreditbriefe auszahlen lassen, diese Tatsache dann völlig vergessen und den Kreditbrief als verloren gemeldet – etwas für sich herauszuholen, indem er behauptete, ich hätte die Absicht gehabt, einen Betrug zu verüben, zwar nicht an der Bank, aber an meinem Washingtoner Sozius, der mit mir zusammen die Kosten des Kreditbriefs getragen hatte. Dem gegenüber brauchte ich nur darauf hinzuweisen, daß es, falls ich eine solche Absicht gehabt hätte, viel einfacher gewesen wäre, die Summe in Konstantinopel abzuheben und unter den Spesen zu verrechnen. Auch dieser Fall lag so, daß nur ein Trottel bei der Ausführung eines Verbrechens so zu Werke gegangen wäre, wie es der Staatsanwalt mir unterschob.

Die Beweisaufnahme näherte sich ihrem Ende. Es waren im

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/126&oldid=- (Version vom 31.7.2018)