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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

hoffe, daß sich meine Verhaftung bald als ein Irrtum erweise. Mr. Smith von Scotland Yard sei schon in aller Frühe dagewesen und habe den Wunsch ausgesprochen nach einer Unterredung mit mir. Er könne jede Minute erscheinen. Für die Unterredung stelle er sein Zimmer bereitwillig zur Verfügung. Ich dankte ihm und bat ihn, wenn später meine Frau sich einfinden sollte, die gleiche Bereitwilligkeit an den Tag zu legen. Selbstverständlich, beeilte er sich zu versichern, er werde dafür sorgen, daß die Dame sogleich zu ihm geführt werde, und er werde auch dafür sorgen, daß unsere Aussprache gänzlich ungestört bleibe. Außer ihm selber werde niemand dabei zugegen sein, und er werde sich in diskreter Entfernung halten, denn was zwei Ehegatten unter solchen Umständen einander zu sagen hätten, gehe keinen Menschen etwas an. Ich nahm diese Humanitätskundgebung mit einigem Mißtrauen entgegen, aber seine Augen hatten einen so treuherzigen Ausdruck, daß ich mich meines Mißtrauens schämte. Nein, dieser Mann hatte keine Hintergedanken.

Wir plauderten noch eine Weile, und ich fragte ihn, vor welchem Richter meine Sache verhandelt würde. Vor dem Chief Magistrate selber, Sir Albert de Rutzen. Einem alten Herrn von über siebzig Jahren, der ein großes Ansehen genieße wegen seines reichen Wissens und vornehmen Charakters. Ich erinnerte mich, ein Buch von ihm über eine völkerrechtliche Materie gelesen zu haben.

Ein Gerichtsdiener kam und führte mich in einen kleinen Saal, in dem nur wenige Personen anwesend waren. Vorn, auf der ersten Bank, saßen die drei Herren von Scotland Yard; Mr. Smith hatte eine Handtasche von mir neben sich stehen. Hinter dem Richtertisch ein Greis mit scharfgeschnittenen Gesichtszügen und einem Paar durchdringender Augen unter dichten, schneeweißen Brauen. Er sah mich prüfend an, aber in einer Weise, die durchaus nicht unangenehm berührte, und sagte, die Worte langsam und gewichtig hintereinandersetzend: „Sie sind verhaftet worden

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/16&oldid=- (Version vom 31.7.2018)