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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

Immer drückender wurde das Gefühl der Verlassenheit. Wer konnte mir helfen in diesem Kampf gegen die mächtigste Maschine des kältesten Ungeheuers, das es auf der Welt gab? Es ist ein Irrtum, zu glauben, das Bewußtsein der Unschuld müsse in solcher Lage ein starker Trost sein. Je besser man die Maschine kennt, und ich kannte sie gut, desto schwächer ist dieser Trost.

Der Aufseher kam, um zu fragen, ob ich mich rasieren lassen wolle. Ich folgte ihm – über viele Höfe, bis zu einer Holzbaracke, in der eine primitive Friseurstube eingerichtet war. Ein großer Mensch mit einem Bierbauch waltete seines Amtes, unterstützt von zwei Gesellen, alle drei Deutsche. Sobald er in mir einen Landsmann entdeckt hatte, gab er sich nicht länger Mühe, Englisch zu radebrechen, und ich wunderte mich sehr, daß der Aufseher gegen unsere deutsch geführte Unterhaltung keinen Einspruch erhob. Schon das kam mir verdächtig vor; mein Verdacht wurde bestärkt, als der Landsmann sich im Flüsterton bereit erklärte, Briefe hinauszuschmuggeln gegen angemessenes Entgelt. Überzeugt, einen Spion vor mir zu haben, lehnte ich ab.

Obwohl in den zahlreichen großen und kleinen Gebäuden der Gefängnisstadt sich Tausende von Insassen befinden mußten, waren die kahlen Höfe menschenleer. Nur selten wurden in dem Nebel Umrisse von Gestalten sichtbar, die schattengleich ihres Weges zogen.

Der Gouverneur machte seinen Rundgang, begleitet von einem Adjutanten und mehreren Inspektoren. Ob ich irgendwelche Klagen vorzubringen hätte? Nein. Irgendwelche Wünsche? Ja; Bücher und Zeitungen wollte ich haben. All right; in dieser Beziehung beständen keine Schranken; auch in bezug auf Essen und Trinken nicht; überhaupt solle die Haft, innerhalb der durch ihren Zweck gesetzten Grenzen, so leicht wie möglich sein, keinesfalls eine Strafe. „Strafe? Eine Hölle ist sie!“ Achselzucken, ein hochmütig abweisender Blick.

Gegen Mittag kam der Arzt und blieb über eine Stunde bei

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/31&oldid=- (Version vom 31.7.2018)