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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

führen, als hielte ich Sie für schuldig.“ Darauf entgegnete ich: „Das können Sie halten, wie Sie wollen.“ Er faßte das als ein Geständnis auf.

Nachdem er gegangen war, hatte ich das Empfinden, den Rubikon überschritten zu haben. Von nun an war ich entschlossen, der Anklage nichts weiter entgegenzusetzen als Schweigen.

In der darauffolgenden Nacht träumte ich einen allegorischen Traum. Zum Verständnis desselben ist eine kurze Exkursion nötig in das englische Recht des Mittelalters. Nach der naiven Denkart jener Zeit mußte jeder Angeklagte, wenn er vor die Schranken des Gerichts gerufen wurde, auf die Frage des Richters, ob er schuldig sei oder unschuldig, mit einem klaren Ja oder Nein antworten. Sagte er weder ja noch nein, sondern verweigerte er die Antwort, so konnte nicht weiter gegen ihn prozessiert werden. Es kam nicht zum Urteil, und es traten auch keine der Folgen ein, die damals mit jeder Verurteilung in Kapitalfällen verbunden waren, wie z. B. die Konfiskation des Vermögens. Das einzige, was der Richter tun konnte, war, daß er gegen den Halsstarrigen die peine forte et dure zur Anwendung bringen ließ. Diese aus dem normannischen Recht übernommene peine forte et dure bestand darin, daß der Angeklagte nackt auf die Steinfliesen des Kerkers gelegt und mit einer schweren, eisernen Tür bedeckt wurde, am ersten Tage ein Stück verschimmelten Brotes bekam und am zweiten Tage einen Schluck Wasser aus der nächstgelegenen Pfütze, am dritten Tage wieder ein Stück verschimmelten Brotes und am vierten Tage wieder einen Schluck Wasser aus der nächstgelegenen Pfütze, und so fort, bis – until he answer, sagen die alten Rechtsbücher, bis er antwortete.

In einem dieser alten Rechtsbücher hatte ich nun vor Jahren einmal beim Durchlesen dieses Kapitels eine Fußnote gefunden, darin war im trockenen Stil des juristischen Kommentators ein Fall erzählt, der sich im 14. Jahrhundert zugetragen hatte. Ein in der Grafschaft Northumberland reichbegüterter Ritter sei von seiner Burg geritten in den

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/37&oldid=- (Version vom 31.7.2018)