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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

Abend, an dem wir in der Opéra Comique „Carmen“ hörten. Ich stellte, als wir wieder in unserem Zimmer waren, meinen Mann zur Rede und machte ihm heftige Vorwürfe. Er stritt alles ab. Aber ich glaubte ihm nicht. Ich sah mein Glück in Scherben gehn – gerade jetzt, wo ich gehofft hatte, es wieder neu zu befestigen. Vergebens sann ich auf Mittel und Wege, dem Unheil entgegenzutreten, da erschien ganz unerwartet eines Morgens in der Frühe meine Mutter bei uns und fragte voll Besorgnis, wie es um Olga stünde. Sie hatte ein Telegramm erhalten, mit meinem Vornamen unterzeichnet, in dem es hieß, Olga sei erkrankt. Ich wußte von dem Telegramm nichts. Aber ich konnte mir denken, wer es abgeschickt hatte. Also auch er hatte das Bedürfnis empfunden, einer unerträglichen Situation ein Ende zu machen; ich faßte wieder Mut, und wir reisten mit dem Kind und der Nurse nach London, während Mutter und Schwester nach Baden-Baden zurückfuhren, Olga in rabiatester Stimmung. Ich bin überzeugt, daß meine Mutter etwas davon gemerkt hat, wie es um uns stand; ausgesprochen habe ich mich mit ihr nicht. Aber wenn ich geglaubt hatte, der häusliche Friede sei nunmehr gesichert, so wurde ich schon im Zuge nach Calais eines anderen belehrt. Mein Mann verlangte von mir, daß ich Olga für den Winter nach Washington einladen solle. Natürlich weigerte ich mich entschieden, und es kam zwischen uns wieder zu einer Szene. Schließlich gab er sich zufrieden. In Dover, als wir schon im Zuge saßen, wurde ihm ein Telegramm ausgehändigt. Er las es und steckte es in die Tasche. Bald darauf erklärte er mir, er müsse in Geschäften noch einmal nach dem Kontinent zurück, es werde also notwendig sein, unsere Abreise von Liverpool um eine Woche zu verschieben. Ich ahnte nichts Gutes, aber was konnte ich tun?“

„Sie meinen, daß das Telegramm von Ihrer Schwester herrührte?“

„Ich weiß es nicht.“

Dr. Dietz versicherte, er werde über die Herkunft des Telegramms

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/93&oldid=- (Version vom 31.7.2018)