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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

kein Schauspiel zu geben. Aber der Schmerz war zu groß, das Gesicht in den Armen verbergend, brach ich in ein fassungsloses Schluchzen aus. Jeder Mensch, der nur einen Funken von Gefühl besaß, hätte diesen Schmerz respektiert.

Nicht so der Herr Staatsanwalt. Er gedachte, das Eisen zu schmieden, solange es warm war. Welch eine prächtige Gelegenheit, diesem verstockten Verbrecher ein Geständnis zu entlocken. In täppischer Art begann er auf mich einzureden – mir ins Gewissen zu reden, wie er sagte – und machte mir alle möglichen Vorhaltungen, wie sie eben ein Staatsanwalt seines Kalibers zu machen pflegt. Ich beachtete ihn gar nicht, gab ihm keine Antwort. Das erboste ihn dann derart, daß er die unglaubliche Roheit beging, mir zu sagen, er glaube gar nicht an die Echtheit meines Schmerzes, ich vergösse Krokodilstränen.

Schließlich gingen die beiden hinaus. Der Hausinspektor blieb zurück; er empfand Gott sei Dank nicht den Beruf, die Situation kriminalpolitisch auszuschlachten, sondern begnügte sich mit ein paar plumpen Trostworten und wartete geduldig, bis ich die Fassung wiedergewonnen hätte. Aber das krampfhafte Schluchzen wollte nicht aufhören, so holte er den Arzt, und man brachte mich wieder in das Krankenzimmer, in dem ich schon einmal, gleich nach meiner Ankunft, gewesen war, und gab mir wieder zwei Zellengenossen, die wahrscheinlich dazu bestimmt waren, einen Selbstmordversuch zu vereiteln.


Empfohlene Zitierweise:
Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/97&oldid=- (Version vom 31.7.2018)