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Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine.
Schloß Etupes, am 16. Juni 1771.


Reizende Delphine, holdseligste aller Nymphen! Seit gestern habe ich kein Auge zugetan. Wie Sie mir, dem verliebtesten aller Schäfer, durch die Laubengänge entschlüpften, hinter den Wasserfällen zu verschwinden und in den Teichen unterzutauchen schienen –, das alles sah ich immer wieder vor mir. Den Augenblick aber, wo die Schar der Genien vor den Verfolgern fliehend im Tempel der Venus Schutz suchte und ich Sie hier, – gerade hier! –, im Kampf gegen meinen Rivalen, den kleinen Baron Wurmser, mir gewann, diesen köstlichen Augenblick wagte ich kaum in der Erinnerung heraufzubeschwören. Das Klopfen meines Herzens, das Fliegen meiner Pulse, die glühende Röte meiner Wangen deuteten das Fieber zu heftig an, von dem ich befallen bin.

Mein Oheim, der Herzog, wollte nicht glauben, daß wir Kinder dies Fest ihm zu Ehren improvisiert hatten, und er begreift ganz und gar nicht, daß Delphine Laval, die graziöseste der Tänzerinnnen, erst dreizehn Jahre alt ist. „Versailles würde sich glücklich schätzen ihr seine Tore zu öffnen, und der König wäre der erste ihrer Bewunderer“ sagte er. Ich hörte, wie er meiner Mutter zuredete, sie möge dafür sorgen, daß „die schöne

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/009&oldid=- (Version vom 31.7.2018)