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wird, ist unbegrenzt; die großen Finanziers, die, bei den häufigen Verlegenheiten des Hofs, ihm Gelder bereitwilligst vorstrecken, sind oft die gefeiertesten unter ihnen.

Im Augenblick meiner Ankunft in Compiègne erfuhr ich erst, daß die unter dem Einfluß der Dauphine wiederholt hinausgeschobene Vorstellung der jungen Vikomtesse Dubarry durch die Gräfin Dubarry heute erwartet würde. Ich hätte eine Entschuldigung gefunden, wenn ich früher davon gewußt hätte, denn dem neuen Sieg dieser Aventurière zu assistieren widerstand mir aufs äußerste. Jetzt mußte ich bleiben und tat es nicht ohne starke Selbstüberwindung. Der Schloßhof und die Gallerien waren überfüllt, und ich glaube nicht irre zu gehen, wenn ich behaupte, daß heute niemand eine von Neid und Bewunderung getragene Neugierde mehr reizt als die Kurtisanen. Ein Beweis dafür ist die Eile, mit der die Damen des Hofs jede neue Bizarrerie ihrer Toilette und ihres Benehmens nachahmen.

Nun kann ich nicht leugnen: die Gräfin überraschte mich, und zwar weniger durch ihre Schönheit, als durch die Tadellosigkeit ihres Auftretens, durch die vollendete Form, mit der sie selbst der abweisenden Kühle des Dauphins und der Dauphine begegnete. Sie verriet auch dem König gegenüber mit keiner Miene die nahen Beziehungen, die zwischen ihnen bestehen. Manche Damen von

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/061&oldid=- (Version vom 31.7.2018)