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streuen, und Amor selbst erfülle mich mit seiner Kraft, daß ich die schönste der Frauen zum Leben der Liebe erwecke.


Graf Guy Chevreuse an Delphine.
Versailles, am 10. September 1775.


Holde! Süße! Daß ich Sie gestern nicht sehen durfte! Und doch empfingen Sie den Grafen Guibert! Die wütendste Eifersucht würde mich plagen, wenn ich nicht wüßte, daß der berühmte Poet und Kriegsmann ebenso berühmt als der Liebhaber der Lespinasse ist. Aber ich gönne es ihm nicht, auch nur den Geist meiner Geliebten anbeten zu dürfen.

Selbst die Königin bemerkte meinen Unmut. „Wo ist Daphnis, armer Philidor?!“ neckte sie. Wo ist Daphnis? wiederholt mein Herz jede Stunde, die ich fern von ihr bin.

Und auch heute wollen Sie mich nicht empfangen, weil Ihre Majestät die Schneiderin Bertin Ihnen Audienz erteilt?! Grausame, bedarf es wirklich noch neuer Spitzen, Gaze und Seidenstoffe, ist es nötig, die zarte Tüllwolke um den Busen, den schweren Brokat um die Hüften immer raffinierter zu falten und zu raffen? Sind Sie nicht verführerisch genug für mich, oder haben Sie die Absicht, mich durch die Liebestollheit anderer Männer rasend zu machen oder durch ihre neidischen Blicke zu spießen?


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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/160&oldid=- (Version vom 31.7.2018)