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Ihnen bin, fühle ich, daß ich die Wahrheit sagen muß.

Vor zwei Jahren warb ich um Ihre Gunst; Ihr Besitz wäre mir im Kranz meines Ruhmes als eins der kostbarsten, goldenen Lorbeerblätter erschienen. Keinen Augenblick störte mich der Gedanke an den rechtmäßigen Besitzer dieser entzückenden Frau; der Marquis Montjoie, an dessen Existenz in Ihrem Hause kaum etwas erinnerte; der Marquis Montjoie, der mit überlegen-ruhiger Kühle der reizenden Delphine gegenüberstand; der Marquis Montjoie, der die Hinterzimmer der Madame Gaillard dem Schlafgemach seiner Gemahlin vorzog, – die er freilich auch nur, als erfülle er eine peinliche Pflicht, mit ernst-gelangweiltem Gesicht zu verlassen pflegte –, dieser Marquis Montjoie war das geringste Hindernis auf dem Wege zu Ihnen. Aber selbst wenn ich gewußt hätte, daß er mehr für Sie fühlte, als für irgend ein besonders wertvolles Stück seines Haushalts, ich hätte die Hoffnung nicht fahren lassen. Solange ein Mann im Kampf um ein Weib einen ebenbürtigen Rivalen, – und wäre es der eigene Gatte seiner Schönen –, vor sich hat, so lange gab die Natur selbst ihm das Recht, um ihren Besitz mit ihm zu ringen. Nicht Stärke – nein, nur Schwäche entwaffnet vor dem Angriff.

Darum mußte ich jetzt von Ihnen fliehen. Ich hätte nicht wunschlos neben Ihnen leben und

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/261&oldid=- (Version vom 31.7.2018)