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werden, viele und sehr verschiedene Stellen im Haushalte der Natur einzunehmen und somit an Zahl zuzunehmen.

     Diess zeigt sich deutlich bei Thieren mit einfacher Lebensweise. Nehmen wir ein vierfüssiges Raubthier zum Beispiel, dessen Zahl in einer Gegend schon längst zu dem vollen Betrage angestiegen ist, welches die Gegend zu ernähren vermag. Hat das ihm innewohnende Vervielfältigungs-Vermögen freies Spiel, so kann dieselbe Thier-Art (vorausgesetzt dass die Gegend keine Veränderung ihrer natürlichen Verhältnisse erfahre) nur dann noch weiter zunehmen, wenn ihre Nachkommen in der Weise abändern, dass sie allmählich solche Stellen einnehmen können, welche jetzt andre Thiere schon innehaben, wenn z. B. einige derselben geschickt werden auf neue Arten von lebender oder todter Beute auszugehen, indem sie neue Standorte bewohnen, Bäume erklimmen, in’s Wasser gehen oder auch einen Theil ihrer Raubthier-Natur aufgeben. Je mehr nun diese Nachkommen unsres Raubthieres in Organisation und Lebensweise auseinandergehen, desto mehr Stellen werden sie fähig seyn in der Natur einzunehmen. Und was von einem Thiere gilt, das gilt durch alle Zeiten von allen Thieren, vorausgesetzt dass sie variiren; denn ausserdem kann Natürliche Züchtung nichts ausrichten. Und Dasselbe gilt von den Pflanzen. Es ist durch Versuche dargethan worden, dass wenn man eine Strecke Landes mit Gräsern verschiedener Sippen besäet, man eine grössere Anzahl von Pflanzen erziehen und ein grösseres Gewicht von Heu einbringen kann, als wenn man eine gleiche Strecke nur mit einer Gras-Art ansäet. Zum nämlichen Ergebniss ist man gelangt, indem man zuerst eine Varietät und dann verschiedene gemischte Varietäten von Weitzen auf zwei gleich grosse Grund-Stücke säete. Wenn daher eine Gras-Art in Varietäten auseinandergeht und diese Varietäten, unter sich in derselben Weise verschieden wie die Arten und Sippen der Gräser verschieden sind, immer wieder zur Nachzucht gewählt werden, so wird eine grössere Anzahl einzelner Stöcke dieser Gras-Art mit Einschluss ihrer Varietäten auf gleicher Fläche wachsen können, als zuvor. Bekanntlich streut jede Gras-Art und Varietät jährlich

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_118.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)