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Wenn es auch damals in der Abtei von Montmartre nicht so zuging, wie in den spanischen Klöstern zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts vor der großen Reform durch die heilige Theresa, so war doch die Regel um ein Bedeutendes weniger streng als heute. Besonders jungen Damen aus der großen Welt, die wegen Herzensangelegenheiten allhier in Haft gesetzt worden waren, zeigte man die zartesten Rücksichten und – beaufsichtigte sie so wenig als möglich. Nur ertappen lassen durften sie sich nicht. Das hätte einen Skandal gegeben – ein Esclandre, und das verstieß gegen die Etiquette – die große Zuchtmeisterin des achtzehnten Jahrhunderts, die noch krampfhaft die todte äußere Form der Moral, den Anstand, vertheidigte, nachdem die Seele dieser selbigen Moral längst daraus entwichen war.

Das kleine Gemach, in dem die beiden Mädchen sich befanden, erinnerte in Nichts an einen Kerker und fast noch weniger an eine Klosterzelle, sondern war das reizendste, coquetteste Boudoir der Welt, mit allerhand anmuthigem Rococotand ausstaffirt. Die beiden Gefangenen saßen an einem

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Ossip Schubin: Etiquette. Paetel, Berlin 1887, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Etiquette_Schubin_Ossip.djvu/65&oldid=- (Version vom 31.7.2018)