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Krankheit wie ein Weihnachtsgeschenk des Himmels mit sich. Sie, die einstmals so stark war, daß sie nicht für den Tod geboren schien, freute sich, daß ihr Fieber täglich stieg, freute sich, daß ihre Augen erlöschen wollten. Und wenn man sagte, daß sie sich pflegen müßte, lächelte sie nur. Sie erwartete das Sterben und freute sich.

Der Tod kam nicht. Die Schwäche ging vorüber. „Weshalb?“ fragte sie erschrocken.

Sie lebt jetzt immer noch im selben Hause mit dem, mit dem sie einst gerungen und gekämpft hat. Sie lebt kampflos jetzt. Beide sehen sich täglich, aber sie sprechen sich wenig. Claudia weiß nie, wohin Dagon geht, wenn er abends seinen Frack anzieht. Sie will es auch gar nicht wissen.

Und er fragt nicht, wenn Claudia ins Theater fährt, wohin sie geht. Und das ist vielleicht noch schmerzlicher für sie zu ertragen, daß er sie gehen läßt, wohin sie will.

Das Kind, ihre Tochter, ist bald erwachsen und sieht und versteht und hört alles. Und das ist das Allerschmerzlichste für Claudia.

Der selbstherrliche Mann schont die beiden Frauen nicht, nicht die Tochter und nicht die Mutter. Er lächelt über sie hinweg, plaudert

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/168&oldid=- (Version vom 31.7.2018)