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Monate in jeder Nacht um zwei, drei, vier Uhr eine und dieselbe Frau. Sie war gekleidet wie eine Hausmeisterin in ein einfaches Hauskleid und hatte nur ein wollenes Tuch über dem Kopf und über der wollenen Manteljacke. Armselig, aber atemlos lauernd, stand sie immer am selben Fleck. Sie wartete nicht auf jemanden, aber sie horchte nach jemandem hin. Sie horchte nach der Richtung einer Haustüre hin. Sie war eine vertrocknete, abgearbeitete Frau, die sich durch Spionage einen Nachtverdienst machte, das erfuhr ich eines Abends. Im Haus aber, das sie behorchte, sang oft in der Nacht im Oberstock eine Frauenstimme.

Wenn ich mit Freunden dort vorbei ging, oder wenn ich allein aus Theatern und Gesellschaften kam, immer stand diese Aufpasserin an dem Gitter des Vorgartens, angewurzelt wie ein Baum. Immer horchte sie nach jener Haustüre hin, aber nicht immer sang die Frauenstimme in der einzelnen Villa.

Eines Abends, als ich eben wieder von meiner Vogelhandlung und von dort zur Blumenhandlung und von dort zum Mammosettäffchen gewandert war, kam eine vornehme Dame aus dem Schatten eines Haustores.

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/185&oldid=- (Version vom 31.7.2018)