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Meine Begleiterin war nachdenklich geworden. Sie schien im Geist in jenes Haus eingedrungen zu sein, um die bewachte und singende Frau dort auszuforschen. Aber sie schien dabei ebenso wenig eine Antwort zu bekommen wie ich damals, als ich die Aufpasserin in jener Nacht gefragt hatte.

„Sie ist unglücklich und kann dabei noch singen, wunderschön singen, verstehen Sie das?“ fragte sie mich dann.

„Das tun die Nachtigallen auch, die unglücklich sind, wenn sie eingesperrt sind, sie singen um so schöner, je dunkler es um sie wird,“ mußte ich erwidern. „Aber warum ist sie bewacht, wenn sie engelrein ist, wie ihre Freundin sagte? Verstehen Sie das?“ fragte sie mich hartnäckig weiter.

„Der Schuldige belauert immer den Unschuldigen. Ihr Mann soll ihr untreu sein, hat jene Dame neulich nachts gesagt,“ suchte ich zu erklären.

„Aber warum trennen die beiden sich nicht, warum? Können Sie mir das erklären?“

„Das kann ich nicht erklären,“ sagte ich darauf.

„Aber Sie müssen es mir erklären,“ bat meine Begleiterin ängstlich. „Ich fühle, ich

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/194&oldid=- (Version vom 31.7.2018)