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Wenn ich an Oda denke, wird mein altes Herz süß wie eine Blume, die man sich gedankenlos zwischen die Zähne steckt und am Stiel hin und her dreht, während man eine selbsterfundene Melodie ohne Anfang ohne Ende, nur einem selbst hörbar, vor sich hinsummt.

Oda ist knapp sechzehn Jahre alt.

Die Luft um Odas Augen ist ohne Licht, nicht bloß, weil Sechzehnjährige eine Binde tragen, da sie mit dem Leben noch Blindekuh spielen, sondern weil die Sonne, die so viele Millionen Jahre alt ist, für dieses Alter gar nicht aufgehen mag. Denn sie hat für dieses Alter gar kein Licht, das jung genug wäre.

In Odas Nähe reizt mich vor allem immer eine gewisse natürliche und doch jungfräulich mystische Dunkelheit, in der Oda sich selbst Licht spendet. Nur ein zerstreutes Licht ist um sie, nicht mehr als um ein Küken im Ei, ehe es die Schale zerbrochen hat.

Empfohlene Zitierweise:
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/198&oldid=- (Version vom 31.7.2018)