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bei dieser ersten Humanistengeneration, für die Enea überdies noch unbezweifeltes Stilmuster ist. Und da nun die Gegenwart die neuen Horaze ebenso wie die neuen Augustusse zunächst vermissen läßt, so wendet man sich um so eifriger der großen Vorzeit zu, in der man, wenn nicht Dichter, so doch Helden findet.

Bei dem Patriotismus der humanistischen Geschichtschreiber ist es nun charakteristisch, daß er sich auf Grundlage des Stammesgefühls entwickelt. Der Schwabe Meisterlin denkt schwäbisch, die Staufer sind seine Lieblinge als „schwäbische Herren“, die Salier stehen ihm schon ferner. Wenn Fabri sich auch für diese einsetzt, so geschieht es, weil er die Fabel von der schwäbischen Abstammung Heinrichs III. glaubt. Trithemius denkt fränkisch und bekämpft deshalb diese Fabel, auch die Karolinger möchte er am liebsten im alten Ostfranken, seiner zweiten Heimat, lokalisieren.[1] Erst die Elsässer kommen, wie wir sahen, darüber hinaus, aber auch bei ihnen, wie bei allen andern, treten die Sachsenkaiser zurück.

War das nun schließlich nichts weiter als das Wiedererwachen der historischen Tradition des hohen Mittelalters, die von Widukind und Thietmar bis auf Otto von Freising und Burkard von Ursperg solche Ideen erkennen läßt, so ist neu der Hinweis auf das Wurzeln dieser Kaiser im Volkstum. Es war fast das einzige, was Wimpfeling den Beweisen Königshofens und Lupolds von Bebenburg für das Deutschtum Karls des Großen hinzufügte, daß er seinen Kindern deutsche Namen gegeben hatte, „die bei uns etwas bedeuten, bei den Franzosen nicht“.[2] Und schon Meisterlins Patriotismus hatte seinen originellsten Ausdruck in der Episode seiner Nürnberger Chronik gefunden, „wie angefangen ist worden zu Nürenberg, daß man teutsch Brief schreibt“.[3] Er verlegt sie auf einen Hoftag Rudolfs von Habsburg und bemerkt dazu, daß daraus „unaussprechlich großer Nutz der deutschen Nation geschehen sei“. „Ein jetlicher Vernünftiger mag versteen, wie durch solich kaiserlich Dekret ein großer Hinderschlag ist beschehen den Walhen und Hilf und ein Enthaltung den Teutschen.“ Auf besserem Grunde, aber in der gleichen Anschauung ruht es, wenn Trithemius die Bemühungen Karls des Großen um die deutsche Grammatik mit Otfrieds Gedicht in Verbindung bringt und im Anschluß daran etwas von einer fränkischen Schriftsprache mit Regeln nach lateinischem Vorbild vermutet, wie sie seine eigene Zeit erstrebte und in Brants Poesie verwirklicht sah.[4] Gerade damit haben diese Humanisten ihren Nachfolgern die Wege gewiesen. –

Und doch ist das alles scholastischer Humanismus. Zunächst,


  1. [238] 134) Opp. I, 25: Quando et unde Franci primum venerint ad Menigauium Peapolitanum, sequitur.
  2. [238] 135) Germania ed. Martin 41.
  3. [238] 136) St. Chr. III, 107.
  4. [238] 137) Für Trithemius die Ausführungen über Karl den Großen und Otfried in den Katalogen und Annales Hirsaugienses I, 28 f. Sie gründen sich auf eine Kombination von Einhard, Vita Caroli Kap. 29 und Otfrieds lateinischem Prolog zum Krist. Ein Echo dieser Ideen ist Wimpfeling, Isidoneus Kap. 18: Carolas enim magnus in Germania natus Germanorum imperator mensibus et ventis germanica indidit vocabula et hodie novis rebus atque negociis novam Germanici sermonis appellationem rex noster aut imperator (quem soli Germani eligere possunt) afferre potest. – Über die sprachliche Bedeutung des Narrenschiffs Brants in den Augen der Zeitgenossen Zarncke vor der Ausgabe LXXV. Dazu Brants Leben Vespasians und Trajans mit der Vorrede seines Sohnes Onuphrius, in der von den Bestrebungen Brants um die „new fränkische form“ gesprochen wird (s. u. VII24).