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Engels beinahe völlig frei vorgearbeitet, der ein Schriftband zeigt, das in guten Minuskeln die Worte enthält:

gervas (?) cum prothasio lacet
nit (?) tumulatus

Darüber zu Seiten der abschliessenden Kreuzblume schwingen als Brustfiguren zwei gleichfalls beflügelte mit weiten von Agraffen zusammengehaltenen Pluvialen bekleidete Engelsgestalten anbetend das Rauchfass. Das Innere, der von einem schlichten, durchbrochenen Eisengitter abgeschlossenen Nische, in welcher einst der silberne Schrein mit den Gebeinen des h. Protasius und Gervasius aufbewahrt wurde, enthält Spuren alter Bemalung, nach welchen auf der Rückwand Engel sich über einen quer gespannten Teppich lehnten und von oben auf den Sarkophag herabschauten.

Das ganze, seiner Datirung nach direkt nach Vollendung des silbernen Reliquiariums (1496) und des ganzen Chorbaues (nach 1494) erstellte Werk ist im Material des Lettners gearbeitet und erinnert auch in seinem Aufbau sowie in der virtuosen Ausführung seiner theilweise völlig frei herausgemeiselten Bildhauerarbeiten etwas an die Meister jenes Kunstwerks, ohne jedoch deren Schönheit und Ruhe in Komposition und Detail zu erreichen.

Rechts neben dieser Nische findet sich eine zweite von mit Thiergestalten durchzogenem Blattwerk rechteckig umrahmt und zu Seiten des Sturzes mit den Brustfiguren zweier Lichter haltenden Engel geziert, während auf der Bank der von schmucklosem Eisengitter geschlossenen Oeffnung drei jetzt abgeschlagene Köpfe ausgehauen waren. Die nicht uninteressante Arbeit scheint aus der zweiten Hälfte des 17. Jh. zu stammen. (?) (Sichtbar auf Tafel IV links unter dem Flügel des Hochaltars.)

Zwischen Chor und Laienraum ist der berühmte spätgothische Lettner eingebaut, Lettner ein schmaler, eine Arkadenbreite weit in das Querhaus hineinragender Trakt, der sich vorne in fünf spitzbogigen Arkaden, nach dem Chor in zwei Pforten und einem mittleren Fenster öffnet. Die Decke wird durch ein an der Chorwand auf schlanken, kapitällosen Wandsäulchen mit gedrehten Sockeln aufruhendes Netzgewölbe gebildet, über dem sich eine Plattform ausdehnt, die vom Chor aus auf zwei schmalen Treppen mit einfachen Bandeisengeländern erstiegen werden kann. (Fig. 16.)

Die reich profilirten Arkadenbogen sind mit zierlichem, frei gearbeitetem Masswerk ausgefüllt und von eleganten, mit lebhaften Blattkrabben gezierten Wimbergen umfasst, welche die querziehenden Gurten und Gesimse der Plattformbrüstung durchschneiden und über derselben in breiten, ungemein lebhaft und schattig ausgemeiselten Giebelblumen mit hochstrebenden Knäufen endigen. (Vergl. Tafel III.)

Aus den reich gegliederten Pfeilern auf Sockeln von sich verschneidendem Stabwerk wachsen an den Stellen, da jeweils die beiden Spitzbogen beginnen, schlanke Säulchen empor mit von krausem Blattwerk gebildeten Kapitälen, auf welche zum Theil vorzüglich gearbeitete Standfigürchen gestellt sind, überdeckt von zierlichen Baldachinen, deren von Fialen begleitete, durchbrochene Pyramiden an der Masswerkbrüstung emporstreben und in Höhe der Knäufe der Wimbergen mit kleineren Giebelblumen abschliessen. An den beiden äusseren Eckpfeilern des Bauwerks stehen in ähnlicher Anordnung auf von Säulen getragenen Konsolen unter zierlichen Baldachinen zwei kleinere Standfigürchen, und die wenigen zwischen all’ den Bogen, Figuren, Gesimsen und Gurten noch frei bleibenden Wandflächen werden von in Relief ausgeführtem Fischblasenmasswerk

Empfohlene Zitierweise:
Franz Xaver Kraus: Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden. Band 6. Jacob Christian Benjamin Mohr, Tübingen und Leipzig 1904, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kunstdenkm%C3%A4ler_Baden_6_061.jpg&oldid=- (Version vom 3.5.2020)