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ein; mit hellem Jubel begrüßte sie Hans Kleve, mit tiefer Rührung die Großmutter; nur die, unter deren Herzen das neue Leben erwachte, spürte nichts von alledem. Die Fassung, mit der sie sich in ihr Schicksal ergab, das Vorgefühl ernster kommender Pflichten war das einzige, was sie ihm gegenüber aufbringen konnte.

Indessen richtete die Großmutter des Enkelkindes erstes Stübchen ein: Alles darin war weiß und rot, einfach und freundlich, nur das Sofa war mit braunem Rips bezogen und der Tisch davor mit braunem Wachstuch. Du gutes altes Sofa! Auf dir hab ich die Glieder im ersten Lebensgefühl gestreckt, auf dir bin ich umhergeklettert, als ich die Beinchen regen konnte; in deinen Winkeln hab ich mein Lieblingsspielzeug geheimnisvoll verwahrt, habe, tief in deine Polster geschmiegt, meine Märchenbücher verschlungen und meine ersten Träume auf dir geträumt!

Mitten in den Vorbereitungen zum Empfange des kleinen Erdenbürgers warf eine Lungenentzündung den alten Golzow aufs Krankenlager. Bei einer der häufig wiederkehrenden Überschwemmungen, die durch die wilden, alle Dämme durchreißenden Wogen des kurischen Haffs entstanden und die Wiesen stets auf Jahre hinaus wertlos machten, hatte er stundenlang, bis an die Kniee im Wasser, mit den Knechten um die Wette die Löcher der Dämme zu verstopfen gesucht und sich dabei eine Erkältung zugezogen. Auf die Nachricht seiner Erkrankung siedelte Ilse, die ihrem Vater besonders nahe stand, nach Pirgallen über. Noch wochenlang sah sie dem wilden Kampf des starken Mannes gegen den Allüberwinder

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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/017&oldid=- (Version vom 31.7.2018)