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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Schönheit. Da diese beyden Foderungen an dasselbe Objekt, obgleich von verschiedenen Instanzen der Beurtheilung, ergehen, so muß auch durch eine und dieselbe Ursache für beider Befriedigung gesorgt seyn. Diejenige Gemüthsverfassung des Menschen, wodurch er am fähigsten wird, seine Bestimmung als moralische Person zu erfüllen, muß einen solchen Ausdruck gestatten, der ihm auch, als bloßer Erscheinung, am vortheilhaftesten ist.“ Mit andern Worten: seine sittliche Fertigkeit muß sich durch Grazie offenbaren.

Hier ist es nun, wo die große Schwierigkeit eintritt. Schon aus dem Begriff moralischsprechender Bewegungen ergiebt sich, daß sie eine moralische Ursache haben müssen, die über die Sinnenwelt hinaus liegt; eben so ergiebt sich aus dem Begriffe der Schönheit, daß sie keine andre als sinnliche Ursache habe, und ein völlig freyer Natureffekt seyn oder doch so erscheinen müsse. Wenn aber der letzte Grund moralischsprechender Bewegungen nothwendig ausserhalb, der letzte Grund der Schönheit eben so nothwendig innerhalb der Sinnenwelt liegt, so scheint die Grazie, welche beydes verbinden soll, einen offenbaren Widerspruch zu enthalten.

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_168.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)