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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.

Grausen bey dieser Vorstellung. Aber nicht bloß die Gewissensangst eines Verbrechers, welche durch die Furien versinnlicht wird, selbst seine pflichtwidrige Handlungen, der wirkliche Aktus eines Verbrechens, kann uns in der Darstellung gefallen. Die Medea des griechischen Trauerspiels, Clytemnestra die ihren Gemahl ermordet, Orest der seine Mutter tödet, erfüllen unser Gemüth mit einer schauerlichen Lust. Selbst im gemeinen Leben entdecken wir, daß uns gleichgültige, ja selbst widrige und abschreckende Gegenstände zu interessieren anfangen, sobald sie sich entweder dem ungeheuren oder dem schrecklichen nähern. Ein ganz gemeiner und unbedeutender Mensch fängt an, uns zu gefallen, sobald eine heftige Leidenschaft, die seinen Werth nicht im geringsten erhöht, ihn zu einem Gegenstand der Furcht und des Schreckens macht; so wie ein gemeiner nichts sagender Gegenstand für uns eine Quelle der Lust wird, sobald wir ihn so vergrößern, daß er unser Fassungsvermögen zu überschreiten

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band4_129.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)