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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

Lebensart zu lenken wußte. – Frei heraus, gnädige Frau, antwortete die Alte, wir leben von einem Handwerk, das leider sehr wenig einträgt, gefährlich und mißlich, und noch obendrein eins von den schimpflichsten ist. Mir selbst ist es noch dazu in den Tod zuwider, aber Noth bricht Eisen, wie das Sprüchwort sagt. Ich war schon halbwegs entschlossen, meine Tochter bei der Opera anzubringen, aber ihre Stimme taugt höchstens für eine Kammersängerin, und außerdem tanzt sie schlecht. Auch habe ich sie, während meines Prozesses und auch nachher bei den Vornehmen dieser Stadt, bei den obrigkeitlichen Personen, bei den Pächtern und geistlichen Herren herumgeführt der Reihe nach, aber die Herren, wie das nun geht, akkordirten immer nur auf eine Zeit lang, und am Ende blieb sie mir denn so sizen. Nicht etwa, meine gnädige Frau, als ob sie nicht schön wäre wie ein Engel – auch fehlt es ihr weder an Verstand noch Manieren, aber der eigentliche Pfiff für das Gewerbe mangelt ihr ganz und gar, und alle die kleinen Kunstgriffchen, die man anwenden muß, das Männervolk in Athem zu halten.

Sind Sie denn sehr bekannt hier? frug die Marquisin.

Leider Gottes, nur zu sehr, sagte die Alte.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft1_039.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)