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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

gebracht hatte? – Ich will nicht in Anschlag bringen, daß ihre Schatoulle jederzeit die seinige war, daß er Jahre lang ihre Tafel genoß, Jahre lang in ihrem Hause, wie in dem seinigen aus und eingieng – Vielleicht spottest du darüber – aber sie hatte sich zugleich nach allen seinen Launen geschmiegt, hatte seinem Geschmacke sklavisch gehuldigt, ihm gefällig zu seyn hatte sie den ganzen Plan ihres Lebens zerstört – Ganz Paris sprach ehedem mit Ehrfurcht von ihrer Tugend – jezt war sie, ihm zu lieb, zu dem gemeinen Haufen herunter gestürzt. Jezt murmelte die Verläumdung sich in die Ohren: Endlich ist diese P***, dieses Wunder der Welt geworden wie unser eine! – Sie hatte dieses höhnische Lächeln mit ihren Augen gesehen, diese Schmähreden mit ihren Ohren gehört, und oft genug mit Schaamröthe den Blick zur Erde geschlagen. Jede Bitterkeit hatte sie verschlungen, welche die Lästerung für eine Frau in Bereitschaft hat, deren fleckenfreie Tugend die benachbarten Laster um so sichtbarer machte – Sie hatte das laute Gelächter ertragen, womit sich der muthwillige Haufe an den lächerlichen Spröden rächt, die ihre Tugend marktschreierisch an alle Pfeiler schlagen – Stolz und empfindlich, wie sie war, hätte sie lieber, in toder

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft1_092.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)