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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

Dunkelheit ihr Leben hinweg geseufzt, als noch einmal den Schauplaz einer Welt betreten, wo ihre verscherzte Ehre nur schadenfrohe Lacher, ihre verschmähte Liebe nur peinigende Tröster fand. Sie näherte sich einer Epoche, wo der Verlust eines Liebhabers nicht so schnell mehr ersezt wird – ein Herz, wie das ihrige, konnte dieses Schicksal nur in gramvoller Einsamkeit ausbluten.

Wenn ein Mensch den andern eines zweideutigen Blicks wegen niederstößt, warum wollen wir es einer Frau von Ehre zum Frevel machen, daß sie den Verführer ihres Herzens, den Mörder ihrer Ehre, den Verräther ihrer Liebe – einer Buhldirne in die Arme wirft. Warlich, lieber Leser, du bist eben so streng in deinem Tadel, als du oft in deinem Lobe flüchtig bist. Aber, wirfst du ein, nicht die Rache selbst, nur die Wahl der Rache find ich so verdammenswerth. Mein Gefühl sträubt sich gegen ein so weitläuftiges Gewebe durchdachter Abscheulichkeit, gegen diese zusammenhängende Kette von Lügen, die beinahe schon ein Jahr durchdauert. – Also der ersten augenblicklichen Aufwallung vergibst du alles, wie nun aber, wenn die erste Aufwallung einer Frau von P***, und einer Dame ihres Karakters, ihr ganzes Lebenlang währte?

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft1_093.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)