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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

daß sie nicht wiederkehren können, aufzutreten in ihrer Größe und sie zu dem vernichtenden Gefühl ihres Unwerthes zu weken! Aber der edle Jüngling den warmes Gefühl und männlicher Ernst leiten nach Wahrheit zu streben, wie wird dieser sich bestimmen? Manchmal wohl drang sich ihm ein stiller Seufzer auf, wenn er an dem Anschauen Griechischer oder Römischer Größe sich weidete, und er fühlte dunkel die Deutung des Seufzers; aber sein Ziel ist Wahrheit, Gerechtigkeit: wahr und gerecht kann er nicht seyn, wenn er sich der iugendlichen Reizbarkeit des Gefühls, wenn er sich der Fantasie anvertraut, denn sie führt einen lügenhaften Pinsel und an entfernten Dingen übertreibt sie gern Umris und Farben. Er schlägt die Jahrbücher der Nationen auf, welche die politische Verkettung unsrer Zeiten zusammenhalten; und iede hat ihren Vorrath von großen Menschen auf welche sie stolz ist. Jedes Jahrzehend der neuen Geschichte weist ihm seine Helden auf, die kolossalisch aus dem vergessenen Schwarm hervorragen. In ieder Gattung von Größe hat die neue Welt ihre Beispiele, die so vollkommen sind als die berühmtesten der alten. Kein Tableau in dem Alterthum das nicht sein würdiges Gegenstük unter den Neuen fände. Hingerissen von Bewunderung steht er auf dem Punkt freudig zu bekennen, daß wir nicht zu erröthen haben vor unsern Vätern; aber – ein Etwas hält ihn zurük, er zaudert, und wagt es nicht das Urtheil der völligen Gleichheit zu sprechen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_007.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)