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Bezauberung des jungen quälenden Schlafes noch nicht hatte von sich abstreifen können, den Schaffner überwältigte plötzlich ein Sehnen, das einen alle Säcke, alle Postzüge vergessen läßt… alles in der Welt. Erschrocken, gleichsam mit dem Wunsch, zu fliehen, sich zu verstecken, schaute er nach der Tür, faßte die Küsterin um die Taille und beugte sich schon über die Lampe, um das Licht zu löschen, als im Flur Schritte erschollen und der Kutscher sich auf der Schwelle zeigte… Ueber seine Schulter schaute Ssawelij. Der Schaffner ließ schleunigst seine Hände sinken und stand da, als wäre er tief in Gedanken.

„Fertig!“ sagte der Kutscher.

Der Schaffner stand noch einen Augenblick so, dann hob er mit einem Ruck den Kopf, als wäre er jetzt erst richtig erwacht, und folgte dem Kutscher. Die Küsterin blieb allein.

„Na, flink, steig’ auf und zeig’ uns den Weg!“ hörte sie.

Träge begann die eine Glocke zu klingeln, dann die andere, und die metallischen Laute zogen sich in einer feinen, langen Kette dahin, fort vom Wächterhäuschen.

Als sie allmählich verstummten, riß sich die Küsterin von ihrem Platze los und ging nervös im Zimmer auf und ab. Anfangs war sie bleich, dann aber wurde sie feuerrot. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Haß, ihr Atem zitterte, ihre Augen blitzten in wilder, grimmiger Bosheit, und wie sie so wie in einem Käfig hin- und herging, glich sie einer Tigerin, die mit glühendem Eisen gescheucht wird. Einen Augenblick blieb sie stehen und ließ ihre Blicke durch ihr Heim schweifen. Fast das halbe Zimmer nahm das Bett ein. Es zog sich die ganze Wand entlang und bestand aus einem schmutzigen Pfühl, grauen, harten Kopfkissen, der Decke und allerlei

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Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/094&oldid=- (Version vom 31.7.2018)