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ließ sich jetzt nicht wieder gutmachen. Sie mußte sich damit abfinden.

Sie kamen nach Haus. Als Ssofja Lwowna sich in ihr warmes weiches Bett legte und unter die Decke schlüpfte, erinnerte sie sich wieder der dunklen Kirchenvorhalle, des Weihrauchgeruchs und der Gestalten an den Säulen, und es wurde ihr ganz unheimlich bei dem Gedanken, daß diese Gestalten, solange sie schliefe, unbeweglich stehen würden. Die Frühmesse wird furchtbar lange dauern, dann kommen die Horen, dann die Spätmesse und ein Bittgottesdienst…

– Es gibt aber einen Gott, es gibt ihn bestimmt, und ich werde unbedingt sterben, folglich muß ich früher oder später auch an meine Seele, an das ewige Heil denken, wie Olja. Olja ist jetzt gerettet, sie hat alle Fragen gelöst… Wenn es aber keinen Gott gibt? Dann ist ihr Leben verloren. Wie ist es aber verloren? Warum verloren? –

Nach einer Minute denkt sie sich wieder:

– Gott ist, der Tod wird unbedingt kommen, und man muß an sein Seelenheil denken. Wenn Olja in diesem Augenblick ihren Tod vor sich sieht, so wird sie nicht erschrecken. Sie ist bereit. Das Wichtigste aber ist, daß sie die Lebensfrage für sich schon gelöst hat. Gott ist… ja… Gibt es aber keinen anderen Ausweg, als ins Kloster zu gehen? Das bedeutet doch, sich vom Leben loszusagen, sein Leben zugrunde zu richten… –

Ssofja Lwowna wurde es ein wenig unheimlich zumute, und sie vergrub den Kopf unter das Kissen.

„Man soll nicht daran denken,“ flüsterte sie. „Nein, das soll man nicht…“

Jagitsch ging, leise mit den Sporen klirrend, im Nebenzimmer auf dem Teppich auf und ab und dachte über etwas

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Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/187&oldid=- (Version vom 31.7.2018)