Seite:Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen (1902).djvu/30

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der jüdischen Geheimschriften oder Geheimgesetze hinausgetrieben.

Nun bleibt noch ein einziger Schlupfwinkel übrig, welchen der christliche Aberglaube vom jüdischen Ritualmord aufsuchen kann, um sich in demselben zu verstecken, und er ist gekennzeichnet mit den Worten: „Immerhin bleibt noch die Frage offen, ob es nicht Fanatiker und geheime Sekten giebt, die das Menschenopfer als ein Gott wohlgefälliges Werk betrachten.“ Um den Ritualmord-Aberglauben aus diesem letzten Schlupfwinkel zu vertreiben, wird es nötig sein, daß wir eine Wanderung durch die jüdische Geschichte antreten. Wir müssen nämlich die Frage beantworten, ob es Sekten, und welche Sekten es bei den Juden giebt, und von welcher Sekte man mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuten kann, daß sie den Ritualmord im geheimen übte oder übt.

7. Die jüdischen Sekten.

Wie alle übrigen Religionsgenossenschaften, von welchen die Weltgeschichte erzählt, hat auch die jüdische Religionsgenossenschaft ihre Sekten, nämlich Vereinigungen von Mitgliedern einer Religionsgenossenschaft, welche entweder in einzelnen Glaubenssätzen, oder in religiösen Gebräuchen mit der großen Mehrheit der übrigen Religionsbekenner nicht übereinstimmen. So erzählt die Kirchengeschichte, daß es in den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche christliche Sekten gab, denen man nachredete, daß sie den Ritualmord im geheimen übten, indem sie Kinder töteten, um deren Fleisch und Blut bei ihren religiösen Zusammenkünften zu genießen. Solche christliche Sekten soll es auch im Mittelalter und bis in die neuere Zeit herein gegeben haben, wie ich in meiner Schrift über den Ritualmord schon ausgeführt habe. Hören wir nun, was die Geschichte uns von den jüdischen Sekten zu erzählen weiß.

Im 4. Jahrhundert vor Christus wurde ein Sprößling aus dem hohenpriesterlichen Geschlechte zu Jerusalem, Manaffe mit Namen, welcher eine nichtjüdische Frau, eine Tochter des Samariterfürsten Sanballat, zur Ehe genommen hatte, und sich, obwohl Nehemias ihn dazu aufgefordert hatte, von ihr nicht trennen wollte, aus Jerusalem verbannt. Er ging nach Samaria, wo das Volk halb jüdisch und

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/30&oldid=- (Version vom 31.7.2018)