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Unglücklichen den wohlfeilsten Verkauf ihrer Habe und Zeit zu Reisevorbereitungen zu ermöglichen. Eine unerhörte Nachricht, die ich aus dem Inneren erhielt – von den Mollahs in den Moscheen werde der muhammedanischen Bevölkerung erzählt, daß die grausamen Maßregeln gegen die Armenier auf Befehl Deutschlands erfolgten –, fand erst auf der Botschaft keinen Glauben, bis sie auch ihr bestätigt und strengster Widerruf von der Pforte verlangt wurde.

Ich blieb drei Wochen in Konstantinopel und benützte die Zeit, um von früh bis spät von allen Seiten Erkundigungen einzuziehen. Ich wandte mich an Vertreter aller Nationalitäten, an die fremden Gesandten, an die Ordensgesellschaften, die im Innern Stationen hatten, an das Amerikanische Bible House und an jeden Europäer oder Amerikaner, der aus dem Innern kam. Bei allen fand ich die größte Bereitwilligkeit, mir ihre Nachrichten zur Verfügung zu stellen. Meine Notizen häuften sich, und so unzusammenhängend sie waren, konnte ich doch daraus ein nahezu vollständiges Bild der Vorgänge gewinnen. Von den armenisch-katholischen Mechitharisten, von römisch-katholischen Ordensleuten, vom Armenischen Patriarchat, von zugereisten deutschen und amerikanischen Missionaren wurde ich fortlaufend über die jüngsten Vorgänge unterrichtet. Auch ansässige Konstantinopeler Armenier wagten es, mit mir in Verbindung zu treten. Besonders möchte ich an dieser Stelle Herrn Chatschadurian, dem ausgezeichneten Kenner der deutschen Sprache und Literatur, früher Professor an der Hochschule von Erzerum, jetzt an der Patriachatschule, und Herrn Djavidjan, dem Vorsitzenden des armenischen Nationalrats, für ihre keine Gefahr scheuenden Dienste, meinen Dank aussprechen. Von verschiedenen Seiten erfuhr ich auch manches, was in den jungtürkischen Kreisen hinter den Kulissen vorgegangen war. Ergreifend waren jedesmal meine Besuche bei dem Armenisch-Gregorianischen Patriarchen, Msgr. Zaven, der trotz seines unerschrockenen Eifers, seiner Nation und Kirche

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite X. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/13&oldid=- (Version vom 31.7.2018)