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Das Versicherungsamt insbesondere.

ohne Vorbild das Versicherungsamt, das als eine untere Verwaltungsstelle eine Fülle von Aufgaben zu übernehmen berufen worden ist. Es hat für die einzelnen Zweige der Reichsversicherung die Aufgaben einer unteren Spruch-, Beschluß- und Aufsichtsbehörde. Das Versicherungsamt wird der Mittel- und Brennpunkt der ganzen versicherungsrechtlichen Verwaltung in der unteren Instanz, wenn nicht überhaupt aller Instanzen, werden. Grundsätzlich wird jetzt bei jeder unteren Verwaltungsbehörde auch eine Abteilung für Arbeiterversicherung errichtet. Nur ganz ausnahmsweise soll es selbständige Versicherungsämter geben, die sich nicht an die schon gegebene einzelstaatliche Verwaltungsorganisation anlehnen. Den mannigfachen Aufgaben der Versicherungsämter soll aber nicht in organisatorischer Beziehung eine rein bureaukratische Handhabung gerecht zu werden versuchen. Vielmehr ist auch hier eine Heranziehung des Laienelements vorgesehen, und zwar sowohl in den Spruch- wie in den Beschlußausschüssen. In jenen ist der Vorsitzende des Versicherungsamtes und je ein Versicherungsvertreter der Arbeitgeber und der Versicherten obligatorisch; im Beschlußausschuß müssen außer dem Vorsitzenden des Versicherungsamts zwei Versichertenvertreter vorhanden sein, von denen die Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten je einen wählen, nebst mindestens je einem Stellvertreter aus ihrer Mitte. Unbeschadet dieser Mitwirkung ist aber die überragende Stellung des Vorsitzenden des Versicherungsamts nicht zu verkennen, nur daß das Gesetz Rücksicht darauf hat nehmen müssen, daß der Leiter der unteren Verwaltungsbehörde seinem Berufe als Vorsitzender des Versicherungsamts nicht würde nachgehen können, ohne seine Verwaltungstätigkeit zu vernachlässigen. Für den Landrat, Bezirksamtmann, Oberamtmann, Amtshauptmann, Kreisrat, Kreisdirektor, Oberbürgermeister können natürlich die Aufgaben des Versicherungsamts nur nebensächliche, sie dürfen keine ihn von seiner eigentlichen Berufsarbeit abziehende sein. Die Reichsversicherungsordnung hat deshalb von vornherein die Bestellung eines ständigen Stellvertreters des Vorsitzenden (oder auch mehrerer Stellvertreter) vorgesehen. Dieser Persönlichkeit war nun ursprünglich der Titel eines Versicherungsamtmannes zugedacht. Wenn auch die Reichsversicherungsordnung hiervon nichts weiß, so hat sich doch dieser Name bereits eingebürgert, ohne amtlich zulässig zu sein. Es läßt sich nicht verkennen, daß bei den großen, den Versicherungsämtern überwiesenen Aufgaben die Rolle des Versicherungsamtmanns sich immer erweitern und seine Arbeitskraft in vollem Umfang in Anspruch nehmen wird. Wenn die Reichsversicherungsordnung denjenigen als befähigt bezeichnet, der durch Vorbildung und Erfahrung auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung geeignet ist, so ist der Rahmen hier mit Recht weit gespannt. Es ist jedoch höchst bedauerlich, wenn, wie dies in großem Umfange geschieht, die Besetzung der Stelle des „Versicherungsamtmanns“ mit Subalternen erfolgt, insbesondere in Landkreisen, und wenn auch in den Städten hierzu sozialrechtlich nicht besonders vorgebildete Persönlichkeiten herangezogen werden.

Behörden bei der Angestelltenversicherung.

In der Angestelltenversicherung ist der Behördenorganismus abweichend von dem der Reichsversicherung gestaltet. Die bereits in

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/242&oldid=- (Version vom 31.7.2018)