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Form keine Rede sein. Das haben selbst die sog. Pazifisten eingesehen, die auf die Frage der Abrüstung nicht mehr den Wert legen wie früher, sondern von der von ihnen angestrebten, später noch zu besprechenden Organisation der völkerrechtlichen Gemeinschaft mittelbar die Beseitigung des Krieges und damit von selbst die Lösung der Frage der Abrüstung erhoffen.

Haben die beiden Friedenskonferenzen den Krieg nicht beseitigen können, so haben sie wenigstens dadurch eine verdienstliche Arbeit geleistet, daß sie das Kriegsrecht im wesentlichen kodifiziert und manche Milderungen der Kriegführung in Anregung gebracht haben. Namentlich ist es wertvoll, daß auf der zweiten Friedenskonferenz und der Londoner Seerechtskonferenz der Versuch gemacht wurde, auch das Seekriegsrecht in den Hauptpunkten zu kodifizieren und zahlreiche, gerade auf diesem Gebiete bestehende Streitfragen zu lösen oder doch der Lösung entgegenzuführen.

Ein gewisses Verdienst haben sich auch die beiden Friedenskonferenzen durch die Feststellung der sog. Schiedsgerichtskonvention erworben, da durch diese Konvention bei internationalen Streitigkeiten die beteiligten Staaten auf die Mittel zur gütlichen Beilegung der Streitigkeiten hingewiesen werden und in der Konvention namentlich auch das bei der Schiedssprechung einzuhaltende Prozeßverfahren geregelt ist.

Andererseits darf man aber auch die Bedeutung und Tragweite dieser Konvention nicht übertreiben, an dem Mangel von ausdrücklichen Prozeßvorschriften in früherer Zeit ist die gütliche Beilegung von internationalen Streitigkeiten niemals gescheitert und in Zukunft wird auch die Schiedsgerichtskonvention kriegerische Zusammenstöße nicht verhindern, wenn die beteiligten Staaten Gründe haben, auf eine gütliche Beilegung ihres Streites nicht einzugehen[1].

Daß die Schiedsgerichtskonvention auf beiden Konferenzen eine so große Rolle spielte, hat lediglich darin seinen Grund, daß sich die Unmöglichkeit der grundsätzlichen Abschaffung des Krieges und daher auch die Unmöglichkeit, bezüglich einer Rüstungsbeschränkung zu einer Einigung zu gelangen, herausgestellt hatte und infolgedessen die aus innerer Überzeugung oder aus sonstigen Gründen pazifistisch gesinnten Regierungen begreiflicherweise die Notwendigkeit betonten, möglichst alle internationale Streitigkeiten auf friedliche Weise, namentlich auf dem Wege der Schiedssprechung zu erledigen.

Daraus erklärt sich auch, daß schon auf der ersten Friedenskonferenz die Frage des obligatorischen Schiedsverfahrens im Widerspruche mit dem russischen Programm aufgeworfen wurde und daß auf der zweiten Friedenskonferenz ein so erbitterter Streit um die Anerkennung des Grundsatzes des obligatorischen Schiedsverfahrens und den Abschluß eines auf diesem Grundsatze beruhenden Weltschiedsvertrags entbrannte.

Daß dieses Projekt infolge des Widerspruchs verschiedener Staaten, deren Stimme nicht ignoriert werden konnte, abgelehnt wurde, beweist, daß diese Staaten sich bewußt waren, daß durch Abschluß eines solchen Vertrags eine abschüssige Bahn betreten werde,


  1. War ja doch auch in dem geplanten Weltschiedsvertrage eine Bestimmung vorgesehen, daß die Vertragsmächte nicht verpflichtet sein sollen, ihre Streitigkeiten der Schiedssprechung zu unterstellen, wenn die Lebensinteressen oder die Unabhängigkeit oder die Ehre einer der streitenden Teile in Frage stehen.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/350&oldid=- (Version vom 31.7.2018)