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Weibes, an der gemeinsten Reibfläche sich entflammend, zwischen Ehrfurcht und Abscheu lebe, aber nicht zum Vergnügen. Was wissen Lebemänner und Journalisten davon! Ich aber weiß, daß die Kraft zu fühlen oder die Kunst zu sagen erst dort beginnt, wo die Gesellschaftsordnung verzichtet. Und ich weiß, was meine Abhängigkeit vom Staube wert ist. Irgendwie deutet hier etwas auf ein Urbild, das Menschenantlitz trug und später entstellt ward. Diese Verwertung eines minderwertigen Materials, dieses Zuhilfekommen der Inspiration muß eine Beziehung haben. Diese konstante Anläßlichkeit, die aus der Mücke keinen Elephanten macht, aber ihr ihn assoziiert, wirkt den satirischen Überbau der vorhandenen Welt, die nur noch geschaffen scheint, ihn zu stützen, und mit all ihrer ruchlosen Vorhandenheit ihre Berechtigung tatsächlich erweist. Was aber der soziale Sinn an ihr auszusetzen findet, ist meinem Angriff entrückt, weil der Angreifer den Übeln entrückt ist, die der soziale Sinn für die wichtigeren hält. Denn was sich im Geist begibt, ist unbeträchtlich im Staat, dessen Dimensionen für die Probleme der Nahrung und Bildung geschaffen sind. Was die Gesellschaft nicht sieht, ist klein. Was sie nicht sehen könnte, besteht nicht. Wie klein ist ein Stern im Vergleich mit einem Orden; und was sich sonst im Kosmischen begibt, ist eine Ausflucht, wenn es sich um Politik handelt. Mir blutet das Weltbild von einem Kriegsbericht; und es ist gar nicht notwendig, daß die Humanität den Notschrei erhöre, den sie nicht hört und nicht verstünde, wenn sie ihn hörte.

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Ich und das Leben: Die Affäre wurde ritterlich ausgetragen. Die Gegner schieden unversöhnt.


Empfohlene Zitierweise:
Karl Kraus (Hrsg.): Die Fackel Nr. 333. Die Fackel, Wien 1911, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Fackel_Nr._333.djvu/15&oldid=- (Version vom 14.8.2016)