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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

wahrscheinlich in die Geschichte tretende riesige Sibirien, durch welches eben die freudige Kunde wandert, daß es Wege gebe, aus der Leibeigenschaft zur Menschlichkeit auf eigenen Füßen sich zu erheben. Wir müssen zugeben, daß die neue russische Regierung, welche den Sclaven Freiheit bietet, auf besserem Wege ist, als die republikanische in Amerika, welche von den herrschenden Sclavenbesitzern gewählt ist, die den Grundsatz, daß die Republiken nicht ohne Sclaverei bestehen könnten, durch alle amerikanischen Staaten und selbst neue, wie Kansas, gegen die Gesetze der idealen Washington’schen Verfassung mit Revolvern, Mord und Blutvergießen geltend machen und aufrecht zu erhalten suchen.



Der Biber als Baumeister.

Denken wir uns drübenstehende Zeichnung sechs Mal vergrößert, so haben wir das Bild eines der größten und entschieden des stärksten Nagethieres, und zwar in sitzender Stellung. –

Da wir den Biber seiner äußern Erscheinung nach kaum für so kräftig halten können, als er seinen Kraftäußerungen nach wirklich ist, so wollen wir erst einen ganz flüchtigen Blick auf sein Knochengerüst werfen, ehe wir ihn nach seinen Wohnungen begleiten. Am Skelet des Bibers, das in vielen Stücken am besten mit dem der Wasserratte verglichen werden kann, fallen uns sogleich die gedrungenen, kurzen, aber starken Knochen der Ober- und Unterschenkel in die Augen, die kurzen, aber breiten, mit langen Fortsätzen versehenen Wirbel vom Kopfe Schwanze, und der durch seine weitabstehenden Jochbögen unverhältnißmäßig breite Schädel mit den gewaltigen Nagezähnen. Bedenken wir nun, daß dieses gedrungene Gefüge kräftiger Knochen eine hinreichend große Oberfläche als Anhaftungspunkt für die starken Sehnen darbietet, und die Muskeln an einzelnen Stellen, besonders den Kiefern, Hinterbeinen und dem Schwänze, ganz besonders entwickelt sind, so ein großer, starker Hautmuskel beiderseits vom Rücken nach dem Nacken, den Kiefern, der Schulter, der Brust und dem Bauche läuft und sich über einen Theil der Füße erstreckt: so leuchtet uns ein, wie dieses Thier Kraftäußerungen erzielen kann, die zu seinen Größendimensionen in keinem Verhältnisse stehen. Und doch würde von einem Biber das nicht geleistet werden können, was wir an ihren Bauten bewundern; dazu ist das Zusammenwirken vereinter Kräfte nöthig. Doch lernen wir nun die Leistungen selbst kennen!

Die Biber leben an und in dem Wasser, wie die Schwimmhäute der Hinterfüße schon vermuthen lassen, am liebsten in größeren Gesellschaften (Colonien) beisammen, doch trifft man sie auch vereinzelt an. In diesem Falle erscheint ihr Pelz schmutzig und besonders auf dem Rücken abgerieben, weil sie in röhrenartigen Höhlen leben, die sie vom Wasser aus unter dessen Spiegel in das Ufer graben und sie, in verschiedenen Krümmungen und unter einigen Erweiterungen allmählich nach oben gerichtet, nach einem Bruch oder Walde zu bis zu einer Länge von 100 Fuß und darüber fortführen und sie daselbst wohl auch münden lassen. Dergleichen Baue haben nichts Besonderes, sie sind hier auch nicht gemeint, sondern die sogenannten Biberburgen, die von ganzen Colonien – bis mehreren Hunderten an Zahl – aufgeführt werden und heutzutage am sichersten nur noch in Nordamerika und dem nördlichen europäischen und asiatischen Rußland anzutreffen sind, aber auch da mit der Zeit immer seltener werden. In Deutschland wurde die letzte, seit länger als 100 Jahren gehegte Colonie bei Barby an der Mündung der Ruthe in die Elbe noch in den zwanziger Jahren beobachtet (1827 beschrieben), ist aber später, unseres Wissens, eingegangen.

Es versteht sich wohl von selbst, daß die Burgen verschiedener Colonien nicht in allen ihren einzelnen Theilen genau dieselben sind, daß Unterschiede mehrfach vorkommen, bedingt durch die Localität, die nicht überall eine gleich günstige Lage hat, durch die Anzahl der Thiere, das Zahlenverhältniß des erfahrenen Alters und der unerfahrenen Jugend in der Gesellschaft und vielleicht noch durch manches Andere, was zu erforschen bisher noch nicht gelungen ist. Daher rühren auch die verschiedenen Angaben bei den verschiedenen Schriftstellern, von denen die einen als glaubwürdiger allgemeinen Anklang fanden, andere als mehr fabelhaft verworfen worden sind. Wir beschränken uns hier natürlich nur auf die Beobachtungen zuverlässiger Forscher und heben das hervor, worin ihre Angaben übereinstimmen.

Hat eine Gesellschaft Biber den Ort gefunden, der ihr zum Anbau passend erscheint, einen kleinen See oder ein Flüßchen, deren Wasser im Winter nicht bis auf den Grund friert, die in einsamer, waldiger Gegend anzutreffen sind, wie etwa an den kleinen Seen in Canada, wo sie gewisse Stellen immer wieder auswählen, auch wenn sie daselbst wiederholt gestört werden: so beginnt – im Monat August, wie man beobachtet hat – die Arbeit mit Herbeischaffung des Baumaterials, das in Holz verschiedener Stärke, wie es ein derber Baum liefert, Steinen, Erde und Schlamm besteht.

Am Interessantesten hierbei ist unstreitig die Beschaffung des nöthigen Holzes, sowohl in Rücksicht auf die physische Kraft, welche die Thiere dabei an den Tag legen, als auch rücksichtlich ihrer geistigen Befähigung, die zu bewundern wir genöthigt werden, eben so wie bei andern noch viel kleineren thierischen Wesen, wenn sie ihre Behausungen anlegen – wir erinnern beispielsweise nur an die Bienen, Ameisen, viele Vögel etc. – Nicht nur Büsche beißen die Biber ab, sondern sie fällen Bäume von 12 bis 20 Zoll Umfang des Stammes, dabei stehen sie auf den Hinterfüßen, räumen mit den vordern die Spähne weg und nagen so rund herum oder nach Befinden nur auf der einen Seite. Gegen das Ende der Arbeit sieht der kleine Holzhauer nach jedem Hiebe in die Höhe, ob der Baum bald fällt, und weiß es so geschickt einzurichten, daß er dahin fallen muß, wo er ihn hin haben will, entweder dicht neben die Stelle, wo er ihn eben braucht, oder in das Wasser, auf dem derselbe, nachdem mit vereinten Kräften die Aeste abgeschnitten und unter Umständen durch weitere Nachhülfe sein Flottwerden bewirkt worden ist, bis zum Baue hinschwimmt. Die Aeste und Zweige werden theils nachgeschickt, theils von den schwimmenden Thieren im Maule oder unter dem Kinn, von der Vorderpfote festgehalten, nachgeschafft. Der Wasserweg wird bei etwas größeren Entfernungen und größeren Lasten dem Landwege vorgezogen, da der Gang des Bibers ein schwerfälliger und unbeholfener ist.

Das gefällte Holz bleibt nun im Wasser oder seiner nächsten Nähe liegen, bis es verbraucht wird, seine Schale zur Nahrung – der Biber benagt nämlich nicht wie die Hasen, Kaninchen etc. die Stämmchen und Reiser, sondern schneidet sie stets zuvor ab, daher auch größere Colonien nicht unbedeutenden Schaden anrichten können – die abgeschälten Stücke, die nach Bedürfniß noch zerschnitten werden, zu seinen Wohnungen. Diese nun

beginnen unter dem Wasser, werden von da, sich allmählich erhebend, in das Ufer röhrenförmig, in verschiedenen Windungen und Aushöhlungen hineingearbeitet und erscheinen in geringer Entfernung vom Ufer oder auf der Oberfläche kleiner Inseln als kegel- oder backofenförmige Hügel von 4 bis 7 Fuß Höhe und etwas ovalem, 8 bi5 12 Fuß im Durchmesser haltendem Grunde. Diese Hügel sind bald aus Reisig und Knüppeln aufgeschichtet, welche durch Schlamm, Erde und Steine zu einer am Grunde mehrere Fuß dicken Mauer vereinigt werden, bald herrscht die durch die Ausgrabung gewonnene, schlammige Erde vor, welche, mit Steinen, größeren und kleineren Holzstückchen vermengt, zu einem festen Gewölbe von angegebener Form verarbeitet worden ist. Ehe Frost eintritt, werden diese Hütten noch mit Schlamm beworfen, der ihnen beim Gefrieren noch größere Festigkeit verschafft. Denselben schieben sie mit Hülfe der Brust und Vorderfüße vom Wasser aus in die Höhe; daß der breite Schwanz zum Aufklatschen und Festschlagen diene, ist zwar bezweifelt worden, aber durchaus nicht unwahrscheinlich, da der Biber beim Tauchen und Schwimmen häufig mit demselben auf das Wasser schlägt, ihm diese Bewegung also gar nicht fremd und ungewohnt ist – beiläufig erwähnt, soll das durch Peitschen des Wassers weithin hörbare Geräusch zur Lockung oder Warnung anderer Biber dienen. Leider werden die meisten Arbeiten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_067.jpg&oldid=- (Version vom 9.4.2021)