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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

ihre Rückreise an; an dem Orte aber, wo sie das erste Mal Halt machten, kam einigen der Schlauesten plötzlich jener Handelsmann verdächtig vor, der ihnen die Reise nach Teheran erspart hatte; sie besahen das Geld genauer, mit dem er sie bezahlt hatte und überzeugten sich, daß es falsches sei. Augenblicklich jagten sie nach Kars zurück und sie trafen richtig den betrügerischen Kaufmann in dem Caravanseraï noch an, wo er ruhig seine Pfeife rauchte. Sie fielen wüthend über ihn her, nahmen ihm die Diamanten wieder ab, prügelten ihn entsetzlich mit Zäumen, Gurten und Pfeifenrohren, unter vollständiger Billigung der Umstehenden, denen sie erzählten, wie sie betrogen worden, gaben aber weder das erhaltene Geld zurück, noch machten sie Anzeige bei dem Richter, – sie hatten ihre triftigen Gründe dazu. Dann zogen sie weiter nach Teheran.

Der geprügelte Dindar mußte einen neuen Plan erfinden, wie er zu den Diamanten gelange. Er bestieg sein Pferd trotz den schmerzenden Gliedern und ritt so schnell als möglich. Nach zwei Tagen konnte sein Pferd nicht weiter, er kaufte ein anderes von einem Bauer und jagte so unermüdlich weiter, daß er vor den Dieben noch auf den weiten Ebenen Persiens ankam. Er wußte recht wohl, was er zu thun hatte. Er begab sich zu den ersten schwarzen Zelten von Turkomannen, die er antraf und dem Führer dieser Schaar, der Sultan Murad hieß, erzählte er unter Jammern und Wehklagen, wie schlimm es ihm ergangen. Er habe außerordentlich schöne Edelsteine in Kars an einige Handelsleute verkauft, aber die Diebe und ungläubigen Hunde hätten ihm mit Gewalt das Geld wieder abgenommen, das sie ihm bezahlt, und als er sie bei dem Kadi (Richter) in Kars verklagt, hätte dieser von den Dieben sich bestechen lassen, so daß er ihm nicht blos nicht zu seinem Gelde verholfen, sondern mit Schlägen ihn hinweggetrieben. Da wäre denn dem trostlosen und gemißhandelten Gläubigen Dindar nichts übrig geblieben, als in den Staub des Turkomannenlager sich niederzuwerfen, den Speer des Häuptlings zu erfassen, den Saum von dessen Gewand zu küssen und den tapfern und siegreichen Sultan Murad, vor dem die Welt zittere, anzuflehen, daß er sich an die Spitze seiner unbesieglichen Krieger stelle und die Räuber aus dem Wege nach Teheran überfalle. … Dindar setzte hinzu, das Geld, das ihm die Räuber abgenommen, belaufe sich auf neunzigtausend Piaster und wenn er nur die Juwelen zurückerhalte, wolle er gern das Geld seinem muthigen Helfer überlassen, den er schließlich bei dem Barte seines Vaters und dem Salze der Gastfreundschaft beschwur, ihn zu schützen und zu rächen.

Der Turkomannen-Häuptling fühlte ein menschlich Rühren und die Piaster verfehlten ihre Wirkung nicht. Er verstand sich dazu, Dindar’s Feinde zu züchtigen und ihm die Edelsteine wieder zu verschaffen; darum riß er sofort den Speer heraus, der vor seinem Zelte in den Boden gestoßen war, schwang sich auf sein Pferd, das ihn schon zu manchem Kampf getragen hatte und rief seine jungen Männer zu sich.

Als die Diamantendiebe aus dem letzten Gebirgspasse in die Ebene herauskamen, sahen sie sich zu ihrem Entsetzen von einer Schaar turkomannischer Reiter überfallen. Mehr als die Hälfte von ihnen fiel unter den krummen Säbeln und unter den Lanzen der Krieger Sultan Murad’s und die Ueberlebenden wurden, nachdem sie vollständig ausgeplündert, als Sclaven unter der wilden Horde behalten. Gegen Dindar hielt der Häuptling getreulich was er versprochen: die Diamanten wurden ihm zurückgegeben. Sofort machte unser Freund sich auf den Weg nach Constantinopel; dort überreichte er die Juwelen der Bestohlenen und empfing die verheißene Belohnung. Der Häuptling der Turkomannen begnügte sich mit den neunzigtausend – falschen Piastern.



Poesie und Wirklichkeit. Die von den Romanschreibern, namentlich von Cooper herrührenden und weit verbreiteten Schilderungen und Nachrichten über die Indianer werden in den so eben erschienenen „Briefen eines Deutschen aus den Vereinigten Staaten“ als abgeschmackte, aller Wahrscheinlichkeit entbehrende Phantasiebilder hingestellt. Ein Berichterstatter über den zwischen Gouverneur Ramsay und den Dacotah’s im vorigen Jahre in Minnesota bei Traverse des Sioux abgeschlossenen Friedensvertrag äußert sich in dem Jahrbuche für Minnesota Seite 31 folgendermaßen über diesen Gegenstand. „Aus den übertriebenen Indianischen Fictionen in einen elenden, wirklichen Wigwam (Indianer-Zelt) zu gerathen, ist der tiefste Fall seit dem von Adam. Wenn es wirklich nur ein Schritt ist von dem Erhabenen zu dem Lächerlichen, so ist es ein senkrechter und langer Schritt. Es gibt kein sichereres und untrüglicheres Mittel, dem lesenden Publicum jetzt und für immer die Ideen von „Indianischer Romantik“ zu vertreiben, als einem mit den Indianern gepflogenen Friedensvertrage beizuwohnen!“ Der Schreiber des Vorstehenden lebte vom 30. Juni bis 6. August umgeben von vielen Hunderten von Indianern, welche mit Weib und Kind, Hab und Gut nach Traverse des Sioux gekommen waren, und hatte daher hinlänglich Gelegenheit, deren liebenswürdiges und chevalereskes Benehmen kennen zu lernen.

Wie unbeschreiblich romantisch würde es Dir vorkommen, in einem engen bis auf den Erdboden reichenden, mit erstickendem Rauche gefüllten Zelte mit noch zehn oder zwölf Personen zu wohnen, welche ihre Kleider niemals waschen, ihre Lagerfelle oder Decken kaum jemals ausschütteln, wie das Vieh in den Ställen ungenirt umherliegen, von Ungeziefer strotzend, dieses mit naiver Ungezwungenheit sich gegenseitig absuchen und gleich Affen mit den Zähnen zerbeißen, „weil es sie ja auch gebissen habe?“ Wie würde Dir ein Gericht Hundefleisch, Moschusratte, am Flusse todt aufgelesener Fische oder in den Schalen gekochter Schildkröten munden, nachdem die sittige[WS 1] Wirthin den Dir bestimmten hölzernen Eßnapf aus ganz besonderer Rücksicht für das Reinlichkeitsgefühl eines Weißen mit einer Hand voll Gras von ihrem Lager und dann noch mit einem Zipfel ihres Röckchens ausgewischt hatte, welches seit einem halben Jahre, weder bei Tag noch bei Nacht von ihrem zarten Leibe gekommen war?

Der viel gerühmte Stoicismus der Indianer und ihre gepriesene Beharrlichkeit und Ausdauer in Ausübung der Vergeltung für empfangene Beleidigungen sind ebenso lächerliche Uebertreibungen wie die übrigen schon erwähnten romantischen Charakterschilderungen derselben; denn sie lassen sich nicht allein durch ihre Habsucht verleiten,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. sittsam, tugendhaft (Quelle: Duden online)
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_043.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)