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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

und wird in den Haargefäßen der Athmungswerkzeuge f wieder hellroth. Diese neu belebte Blutmasse geht hierauf durch die Lungenblutadern g, den linken Vorhof d, die linke Herzkammer b, die große Körperschlagader h und die oberen und unteren Körperschlagadern l und m, und wird in den Haargefäßen k und n wieder dunkelroth. Vertheilt man die Abschnitte des Herzens in die beiden Kreisläufe, so gehören rechter Vorhof c und linke Kammer b dem großen, der linke Vorhof d und die rechte Kammer a dem kleinen Kreislaufe an, was die mehrerwähnte Durschlingung und Kreuzung im Herzen ergiebt.

Dies ist der Kreislauf des Blutes. Ein inniges und harmonisches Zusammengreifen aller dabei betheiligten Organe, ein rastloser Wechsel aller dabei in’s Spiel kommenden Thätigkeiten lassen uns an ihm die wunderbare Ordnung und Uebereinstimmung im menschlichen Organismus und seinem Haushalte erkennen. Und doch haben wir hier nur allgemeine Umrisse gegeben, noch lange nicht Alles erschöpft, was auch nur mit dieser einen Lebensäußerung des Organismus zusammenhängt und von hohem Interesse ist, geschweige daß wir bis an die Quelle des Lebens selbst und seiner ewig pulsirenden Kraft gedrungen wären. Von einigen weiteren Vorgängen, die mit dem eben abgehandelten Gegenstande in Verbindung stehen, unterhalten wir die freundlichen Leser wohl ein nächstes Mal.




Blätter und Blüthen.

Eine Nacht an der Seeküste. Im Februar 1835 wohnte ich auf dem Gute eines Freundes an der Seeküste von Bayonne einer Entenjagd bei, die glänzend ausfiel, durch ein heftiges Sturm- und Hagelwetter aber noch vor Beendigung gestört wurde. Ich war von meinen Jagdgenossen abgekommen und irrte lange auf der vom Sturm aufgewühlten Sandfläche einher, bis ich endlich, als der Abend hereinbrach, noch zufällig eine Fischerhütte fand, in die ich ohne Weiteres eintrat. Die Bewohner in der Hütte, ein Mann und eine Frau, erhoben sich bei meinem Anblick und frugen nach meinem Begehr. Ich bat, da es zu spät zur Rückkehr auf das Gut meines Freundes war, um ein frugales Abendbrod und ein Plätzchen in der Hütte, wo ich die Nacht ruhen könnte, was mir Beides auch mit großer Bereitwilligkeit gewährt wurde.

Als der erste Hunger mit gekochter Milch und gebackenen Seefischen gestillt war, unterhielt ich mich mit dem nicht mehr jungen Ehepaare über die Fischerei und ihre übrigen Verhältnisse. „Was meinst Du Peter,“ sagte die Frau plötzlich, „sollen wir nicht den Herrn bitten, uns den Brief zu lesen?“

„Wahrhaftig Frau, Du hast Recht,“ erwiederte der Fischer, „geh suche ihn.“

Die Alte erhob den ungeheuern Deckel eines Koffers, der in der Ecke stand, holte einen sorgfältig in Leinewand eingewickelten Brief hervor und reichte mir denselben mit der Bitte, ihn vorzulesen.

Es war ein Brief von ihrem Sohne, welcher als Matrose auf einem Kauffahrer diente. Er schrieb von Guadaloupe aus, daß sein Schiff im Begriff sei, die Anker zu lichten, und daß er, wenn ihn kein Unglück treffe, seine Eltern gegen das Ende des Januar zu sehen hoffe. Die Freude der guten Fischersleute war stumm und zeigte sich nur in einigen großen Thränen, welche die alte Frau ungehindert fließen ließ, während der Mann sie mit seiner schwieligen Hand wegwischte, als ob er sich schäme, sein Gefühl blicken zu lassen. Nachdem wir ein wenig gesprochen hatten, theils über den jungen Matrosen, theils über das Meer, seine Gefahren, den Fischfang und andere Dinge, boten mir die Leute ihr Bett an, welches ich jedoch zurückwies, indem ich erklärte, daß ich mich mit der Bank am Kamin begnügen wolle. Nach einigen Augenblicken wünschten mir die Strandbewohner gute Nacht und legten sich in ihr Bette. Ich legte noch einige Aeste und Reisigstückchen zum Feuer und streckte mich dann unter dem Getöse des Sturmes, welcher in diesem Augenblicke am wildesten zu rasen schien, auf die Bank nieder. Die Bewohner der Seeküste von Bayonne bis Finisterre leben von der Küstenschifffahrt, der Fischerei und dem Schiffbruch. In den Köpfen dieser Leute ist der Glaube fest eingewurzelt, daß jedes gescheiterte Schiff von Gott verflucht ist, und daß man nur dem göttlichen Willen entgegenkommt, wenn man beendet, was das Unwetter begann, indem man sowohl das Schiff als die Reisenden und die Matrosen, welche sich an’s Ufer retteten, ausplündert. Ein Schiffbruch ist das glücklichste Ereigniß für diese armen Menschen, deren Habgier bei solcher Gelegenheit alle Gefühle der Menschlichkeit in ihrer Brust erstickt.

Gegen Mitternacht hörte ich ein Geräusch in der Hütte, welches mich erweckte. Ohne mich zu rühren, öffnete ich die Augen und sah meine Wirthsleute bereits außer dem Bette und völlig angekleidet.

„Geschwind,“ sagte der Mann, „geschwind, Weib, mache Dich fertig. Ich habe ganz deutlich zwei Kanonenschüsse aus der Richtung des weißen Felsens gehört und wir werden ohne Zweifel Beute finden.“

Während dieser Worte hing die Alte zwei Laternen an einem Stabe auf, der über Kreuz an einer über acht Fuß langen Stange befestigt war; der Mann hatte eine eisenbeschlagene Stange, ein Beil mit kurzem Stiel und ein Seil in der Hand und so verließen sie mit lautlosen Schritten die Wohnung.

Begierig, das Ende eines Auftrittes zu sehen, welcher meine Neugierde erregt hatte, erhob ich mich, kleidete mich eilig an und verließ gleichfalls die Hütte, geleitet durch das doppelte Licht der beiden Laternen. Der Weg führte uns gegen das Meer, welches ich – so dicht war die Finsterniß – nicht sehen konnte, mit Entsetzen aber auf das Furchtbarste toben hörte. Plötzlich schienen die Laternen in den Boden zu versinken. Ich beeilte meine Schritte und gelangte zu einem Pfade, welcher von den Dünen herab zum Strande führte. Dort blieben die beiden Leute stehen, und ich konnte nun bei dem schwachen Schimmer der beiden Leuchten die schäumenden Wellen erkennen, welche sich mit Wuth an dem Ufer brachen. Die Mitternachtstunde, die Dunkelheit der Nacht, das düstere Licht

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_095.jpg&oldid=- (Version vom 16.4.2020)