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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

mich nicht mit Deiner blutigen Hand .., denn ich bin Christin!“

„Fluche mir nicht, Velida,“ antwortete Melutiz bittend; „der weiße Mann hat mir vergeben und mich gesegnet. Sein Gott ist groß und er ist jetzt mein Gott, denn der Priester hat mich im Sterben getauft.“

Da leuchtete ein Blitz der Freude durch die Thränen Velida’s und sie hörte schweigend an, was ihr Melutiz erzählte. Dann sprach sie:

„Wir können unter unserm Volke nicht bleiben; die Häuptlinge würden uns den Tod geben; laß uns in das Land der Weißen fliehen, um den Gott anzubeten, den Du nach blutiger That erkannt hast.“

Sie entflohen beide dem Zorne ihres Volkes, aber es verging eine lange Zeit, ehe sie Gelegenheit fanden, auch aus ihrem Vaterlande zu entkommen. Italienische Missionäre endlich, die nach Europa zurückkehrten, nahmen das Paar mit sich. Melutiz und Velida gelangten so nach Rom und wurden da nach katholischem Ritus getraut. Seit zwanzig Jahren haben sie nun hier von ihrer Hände Arbeit still und zufrieden gelebt, aber jeden Tag gehen beide Hand in Hand in die Kirche, um Gott zu bitten, daß er Melutiz die blutige That verzeihe.




Jagd auf einen Sklavenhändler.

Niemand kann die guten Absichten Englands verkennen, wenn es auf der Unterdrückung des Sklavenhandels beharrt. Aber wenn man auch die gewaltigen Summen, welche dem ohnedies schon hinreichend belasteten Volke die afrikanische Küstenblokade kostet, nicht in Anschlag bringt, so bleibt doch die Frage, ob auch das gesteckte Ziel erreicht wird. Es ist allbekannt, daß die Furcht vor den englischen Kreuzern die Gräuel der Ueberfahrt von Afrika nach Amerika noch vermehrt hat, da die Menschenfleischhändler jetzt nur kleine, aber raschsegelnde Klipper bauen, um die Fahrt so schnell als möglich zurückzulegen, und so viele Sklaven hineinpacken, als nur irgend hineingehen. Die brittischen Kreuzer sind Ursache gewesen, daß die Neger auf den Märkten Brasiliens im Preise gestiegen sind. Der Sklavenhändler weiß, daß er, wenn er von drei Reisen nur eine glücklich vollendet und seine Ladung lebend an’s Land bringt, immer noch bei den drei Spekulationen einen erklecklichen Profit macht.

Was der Sklavenhändler wagt, um der Wegnahme zu entgehen, und wie leicht er zu Unheil kommt, das wird die folgende Skizze zeigen, welche einen in allen Punkten wahren Vorfall schildert.

An einem herrlichen, von einer strahlenden Sonne beleuchteten Tage steuerte vor leichter Brise die englische Kriegsbrig Semiramis in nordwestlicher Richtung den Kanal von Mozambique hinauf. Außer dem Mann am Rade und den Wachen oben in den Masten schien Jeder es sich bequem zu machen. Der Himmel war wolkenlos und die Luft so balsamisch und warm, daß schon sie zu athmen ein Genuß hieß. Die Männer lungerten, in kleinen Gruppen plaudernd, auf dem Verdeck umher; die Kadetten sannen neuen Unfug aus oder plagten den Koch; der Wundarzt beobachtete die fliegenden Fische und las zugleich in einer neuen Schrift über Anatomie, obgleich er kein Blatt umwendete. Der wachthabende Lieutenant baute inzwischen Luftschlösser und betrachtete gelegentlich die blauen, in der Ferne sichtbaren Berge Madagaskars durch sein Fernrohr.

„Segel ho!“ rief plötzlich die Wache im Vortopp.

„Wohinaus?“ schrie der Lieutenant aufspringend. In demselben Augenblick war die träge Sorglosigkeit der Mannschaft vorüber; ein jeder war bereit zu jedweder Thätigkeit.

„Ueber Steuerbord, hält Südwest!“

Der Kapitain eilte auf’s Verdeck, während der zweite Lieutenant in’s Takelwerk stieg, um das fremde Fahrzeug zu rekognosciren.

„Was ist es für ein Schiff, Herr Saunders?“ fragte der Kapitain.

„Schoonertakelage, Sir, Rumpf noch nicht zu sehen!“

„Schiff gewendet!“ kommandirte der Kapitain. Im Nu war ein Jeder auf seinem Posten.

Kommando folgte auf Kommando und wurde rasch ausgeführt. In fünf Minuten war die Semiramis in voller Verfolgung des fremden Schiffes begriffen.

Was ist es, das die Jagden aller Art so aufregend macht? Die unbeschreibliche Begierde des Menschen, Alles zu jagen, was irgend jagbar ist, ist im „Vathek“ nicht übertrieben, wo die Einwohnerschaft einer ganzen Stadt einen bösen Geist verfolgt, der sich in eine Kugel verwandelt hat und vor ihnen herrollt, selbst die Lahmen und Blinden zur Verfolgung herbeiziehend. Aber wer möchte die mit einer Jagd zur See verbundene Aufregung schildern? Wie begierig sind alle Augen auf das fliehende Segel gerichtet! Wie eifrig lauscht jeder, wenn das Log geworfen wird! Wie viele Vermuthungen werden aufgestellt, was das fremde Schiff sein möge, und wie heiß ist der Wunsch, daß es eine nehmenswerthe Prise sei! Denn die Habgier kommt zu der Aufregung. Jedem, vom Kapitain bis zum Schiffsjungen, schweben die Prisengelder vor.

Da die Semiramis auf dem Strich, welchen sie jetzt einhielt, weit windwärts des Schooners war, so war alle Aussicht da, daß sie ihn bald einholte, wenn er bei seinem Cours blieb. Aber wer durfte das hoffen? Jedermann an Bord der Brig war darauf gefaßt, im nächsten Augenblick zu hören, daß der Schooner umlege und fliehe. That er das nicht, so war es ein Beweis, daß er in gesetzlichem Handel begriffen und nicht das sei, was sie voraussetzten und in der That wünschten.

Eine Stunde war vergangen, und die Brig war sichtlich dem Schooner näher gekommen. Vom Topp aus konnte man schon den langen, niedrigen, schwarzen verdächtigen Rumpf sehen.

„Sie müssen uns nun doch sehen!“ sagte der Kapitain.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_123.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2020)