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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

sorgt sie. Satt essen darf sich Jeder, Zucker, Thee, Bier, wird monatlich Jedem zugetheilt, da mag er nach Belieben schalten. Zu naschen, oder die Speisen zu begehren, die nicht für ihn bestimmt sind, fällt keinem ein; dazu respectirt sich Jeder zu sehr. Dasselbe findet im übrigen Theile des Hauses statt. – In den Schlafzimmern ist nichts verschlossen, die Wäschschränke sind offen, und Putz und Schmuck jeder Besichtigung frei. Aber keine unberufene Hand rührt etwas an, keine Neugierde wagt sich an diese Dinge, keine Lust am Besitze gewinnt hier den Sieg über das Recht des Eigenthümers. Die dienende Classe respectirt sich zu sehr, um den kleinsten Schritt vom Wege des Rechten abzugehen. Dafür wird sie aber auch wieder respectirt. Von einem Befehle ist hier kaum die Rede. Gleich beim Eintritt werden Jedem die Pflichten seines Postens angedeutet. Das reicht hin. Von da an ist Alles pünktlich vollbracht, und die Besitzer des Hauses scheinen sich um nichts zu bekümmern, so ganz wie von selbst geschieht hier Alles. Ein Erinnern, Schelten, ein Wort des Zornes hört man nicht. – Findet man, daß ein Diener oder eine Dienerin ihre Pflichten nicht erfüllt, so sagt man, daß man nicht zufrieden sei, und sucht ein anderes Individuum für den Posten; denn Jeder ist einmal verantwortlich für sein Thun, das Amt, das er übernommen, muß er allein versehen, damit ihm allein auch die Ehre bleibe. – Hier in Deutschland heißt es immer, man dürfe Niemand in Versuchung führen, dürfe darum kein Geld liegen lassen etc., und wieder wird Naschen für kein Vergehen gehalten und die Frau vom Hause wagt nicht einmal die übriggebliebenen Speisen von der Tafel tragen zu lassen, ohne ihre Aufsicht. Welch eine Beleidigung der Menschenwürde liegt hierin! – Wie kann ich den achten, der mir ein Stück Zucker nehmen wird, sobald ich den Rücken wende? – Und was vor Allem Noth thut in den gegenseitigen Beziehungen des Lebens ist doch die Achtung, – der Respect – aus welchem jene Respectabilität emporwächst, die den ehrenwerthen Bürger des Staates, und die das Vertrauen des Menschen zum Menschen erweckt, diese schönste Basis alles Beisammenlebens, – auf der wir hier zu fußen fast verlernt. – A. B. 


Ueber Nahrungsmittel. Es gehört zu den Kennzeichen der ächten Wissenschaft, daß sie schließlich immer ihre wohlthätigen praktischen Folgen für die Gesammtheit äußern muß. Die Forschungen der Chemie z. B. haben ungemein erfolgreiche Aufschlüsse über eine der wichtigsten Gegenstände der menschlichen Oekonomie, über die Nahrungsmittel gegeben. Wer würde nicht mit Interesse vernehmen, wenn die Wissenschaft der versuchenden Erfahrung den Wink giebt, daß die in neuerer Zeit so häufig vorkommenden Ausfälle der Kartoffelernten keineswegs so arg zu beklagen seien, wenn man nur statt der Kartoffeln vernünftig gewählte Stellvertreter baue. Es giebt bessere Nahrungsmittel als die Kartoffeln; es handelt sich nur darum, diese Erkenntniß, wo es sich thun läßt, in’s Leben einzuführen. Moleschott[1], dieser eben so geistreiche, wie gründliche und unermüdliche Forscher, sagt darüber u. A. Folgendes: „Zu suchen braucht man diese besseren Nahrungsmittel wahrhaftig nicht, viel weniger kostbare Reisen zu dem Zweck zu unternehmen und mühsam neue Pflanzungen einzuführen. Blühen doch Erbsen, Bohnen und Linsen vor unsern Augen. Erbsen, Bohnen und Linsen enthalten annährend so viel Eiweiß (Erbsenstoff) wie unser Blut, sie enthalten zwei- bis dreimal so viel Fettbildner als Erbsenstoff und die Blutsalze in reichlicher Menge. Trotz dem höhern Preise und der kostspieligeren Bereitung sind Erbsen, Bohnen und Linsen billiger als Kartoffeln. Sie sind im Stande, gut gemischtes Blut zu erzeugen, Hirn und Muskeln zu kräftigen. Kartoffeln können dies nicht. Erbsen, Bohnen und Linsen werden durch ihre Nahrhaftigkeit um so viel billiger als Kartoffeln, wie Eisen billiger ist als Holz, wenn es sich um Schienen für unsere Dampfwagen handelt. Erbsen, Bohnen und Linsen geben Kraft zur Arbeit, sie verdienen sich selbst, während eine anhaltende Kartoffeldiät unfehlbar Schwäche und Siechthum nach sich zieht. Wer vierzehn Tage im wörtlichsten Sinne von nichts als Kartoffeln lebt, wird nicht mehr im Stande sein, sich seine Kartoffeln selbst zu verdienen.“


Wilhelm Beseler, der einstige Statthalter von Schleswig-Hollstein, jetzt unangefochten in Braunschweig lebend, hat so eben unter dem Titel: der Prozeß Gervinus[2], die sämmtlichen Aktenstücke und Verhandlungen dieses merkwürdigen Rechtsfalles nebst dem Rechtsgutachten der Universität Göttingen in einer 14 Bogen starken Broschüre veröffentlicht. In der Vorrede spricht sich Beseler über die Unabhängigkeit des Richters und über die Schimpflichkeit einer etwaigen Unterordnung unter fremdartigen Rücksichten in einer Weise aus, die wir hier nicht wiederholen mögen. Er weist energisch und mit Schärfe darauf hin, daß der Hermelinmantel des Richters nur dann fleckenlos bewahrt werde, wenn das Gesetz die einzige Richtschnur der Entscheidung ist.“


Papierverbrauch. Alle Anzeichen weisen darauf hin, daß der literarische Markt für das kommende Jahr viele und interessante Neuigkeiten bringen wird. Es sind einzelne Sammelwerke angekündigt, die literarisch und geschichtlich von Bedeutung sind, wie z. B. das kleine Brockhaus’sche Reallexicon, verschiedene National-Bibliotheken deutscher Classiker, etc. etc. Die Papiermühlen sind in voller Thätigkeit und können kaum dem Bedarfe genügen. Es fehlen Lumpen, so viele es auch in Deutschland geben mag. Der Verbrauch giebt enorme Summen. Um nur ein Beispiel aufzuführen, führen wir an, daß der Illustrirte Dorfbarbier, also eine Wochenschrift von nur Einem Bogen, jährlich mit dem dazu gehörigen Intelligenzblatt Eine Million, 440,000 Bogen verbraucht. Von allen in Deutschland erscheinenden Zeitschriften hat allerdings der Dorfbarbier die stärkste Auflage. Welcher enorme Verbrauch aber stellt sich bei Zeitungen von 10 und 12,000 Expl. Auflage heraus, die täglich und 2 Bogen stark erscheinen?




Gustav Heubner’s Schauspiel: Wittekind, ist am 29. März in Leipzig über die Bretter gegangen und hat trotz der mangelhaften Aufführung sehr gefallen. Besonders der dritte und fünfte Akt sprachen sehr an, am Schluß wurden die Darsteller und der Verfasser gerufen. E. K. 




manicula 0 0 Mit dieser Nummer schließt das erste Quartal und ersuche ich die geehrten Leser das Abonnement schleunigst zu erneuern. Ernst Keil. 



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Schnellpressendruck von Giesecke & Devrient in Leipzig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_142.jpg&oldid=- (Version vom 16.4.2020)