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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

diese Wurzel gewesen. Der große griechische Arzt Hippokrates sage da und da in seinem Werke so und so über diese Wurzel. Wellington sei bei Waterloo zum Tode verwundet worden, habe von dieser Wurzel gegessen und dadurch die Schlacht gewonnen. Und so fort durch alte, mittelalterliche und neue Zeit, wo diese Wurzel stets alle Krankheiten geheilt habe. Schluß und Effect: Alles für einen Penny.

Die Hauptsache ist gegen Abend Trinken und auch etwas Betrunkensein. Ist im Weine Wahrheit, steckt auch jedenfalls in Bier und Spirituosen etwas davon, da der „Geist“ in allen diesen Getränken ein und derselbe ist. Und so sah ich denn auch, wie respectabel der Engländer in seiner Wahrheit d. h. seiner Betrunkenheit ist. So korkzieherförmig auch die Bahnen manches Helden waren, er stieß und beleidigte Niemanden. Kein Schimpfen und Schlagen. Selbst schon ganz daniederliegende Helden unterhielten sich ganz höflich mit dem Policeman, der blos zu beweisen suchte, daß es für ihn, den Helden, comfortabler sein würde, wenn er sich eine bequemere Stelle zum Mittagsschläfchen aussuchte. Er bequemte sich nur unter der Bedingung dazu, daß der Policeman sein Ehrenwort darauf giebt, wie er ihn für völlig nüchtern und einen Gentleman halte.

Gleichzeitig findet die „Fair“ zu Greenwich auf der andern Seite der Themse, die Fair zu Blackwall zwischen Docks und die Fair um die „Chalk-Farm“ am entgegengesetzten Ende Londons statt. Greenwich ist schon so oft von deutschen Federn beschrieben worden, daß die Deutschen den „Markt zu Greenwich“ vielleicht besser kennen als wir hier zu Lande. Stepney ist für das riesige reiche Proletariat, die von der Themse und dem Meere leben, Greenwich für die Clerks, Gerk’s und Needlewomen (Kaufmannsdiener, Stutzer und Näherinnen), Chalk-Farm für das blasse, hagere Proletariat des Westendes. Die Unterschiede sind ziemlich scharf, aber im Ganzen haben diese Messen etwas Gleichmäßiges. Alle Klassen erscheinen gutmüthig, friedlich und anspruchslos, und die Hauptbelustigungen bestehen in spielender Uebung körperlicher Kraft und Gesundheit und der Freude daran: Wettlaufen Hügel auf, Hügel ab, Scheibenschießen mit Flitzbogen um Eßwaaren, Esel- und Pferdewettrennen von Damen und Kindern, Kraftproben im Gewichtheben, in langen Reihen über einander hinwegspringen, Schaukeln, Haschen, Criket- und Racketspiel, Kokusnußabwerfen. Die Neckereien mit den Knarren, mit denen man immer unvermuthet einander den Rücken herunter rädert, ist wohl bekannt. Man muß starke Nerven haben, um’s zu vertragen. Es fühlt sich nicht nur jedesmal, als wenn der Rock von Oben bis Unten zerrisse, sondern erschüttert auch von den Rückennerven her den ganzen Organismus. Man lacht sich hier bald todt darüber und beweis’t damit, daß Nerven und Muskeln gesund sind. Ja, es ist ein gesundes, kräftiges, gutes, gebildetes Volk mit rothen Wangen, lachenden Augen, schönen Gesichtern, hohen Stirnen, wozu bei dem weiblichen Geschlechte noch die langen schweren braunen und blonden Locken und die eigenthümlich leuchtenden Augen kommen, deren feste, ruhige Milde sich weiter nicht schildern läßt.

Aber da waren ja auch so viele Gruppen von blassen, zerlumpten Gestalten! Stand bei dem Einen nicht mit großer Schrift um den Hut herum: „We ara Syng with starvation“? (Wir sterben vor Hunger.) Und wo’s nicht auf dem Hute stand, las man’s noch deutlicher in Gesichtern. Richtig, furchtbar wahr und wirklich. Aber ihr seht in diesen Gesichtern zugleich auch die celtische Race, den Irländer, die Folge und den Fluch anderer Mächte. –




Blätter und Blüthen.

Handwerker aus Instinkt. Am Kap der guten Hoffnung giebt es einen Vogel, der unter dem Namen „Republikanischer Sperling“ bekannt ist, nach der wissenschaftlichen Benennung aber Philaeterus Socius heißt. Dies Vögelchen baut ein regelmäßiges Viereck. Mit einer Anzahl seines Geschlechts nimmt er einen Baum in Besitz und baut um den Wipfel desselben ein großes Nest, das gegen zweihundert Abtheilungen enthält. Jeder Vogel hat seine bequeme kleine Wohnung, in welcher er mit seinem Weibchen lebt, seine Jungen aufzieht und der unbedingtesten Freiheit genießt. Sie sind in so fern Baumeister, als es sich auf die Erbauung der gemeinschaftlichen Wohnung, die Ausbesserung und Vertheidigung derselben bei drohender Gefahr und das Aufsuchen der Vorräthe bezieht. Benimmt sich irgend ein Vogel gegen die Regeln der Gesellschaft oder überhaupt unfreundlich, so wird er von einem ausgewählten Polizei-Detachement heimgesucht, das ihn mit unbarmherzigen Bissen der starken Schnäbel hinaustreibt und ihm niemals die Rückkehr in die gemeinschaftliche Behausung gestattet. Versucht es irgend ein bösartiges kriechendes Thier sich einzuschleichen, so bildet sich sofort eine Bürgergarde, und sobald die wachsame Schildwache ein Zeichen giebt, stößt das tapfere Corps ein gellendes Geschrei aus, beeilt sich, die gewöhnliche Garnison zu verstärken und zwingt meistentheils den Feind durch die Masse drohender Schnäbel, die sich ihm wie undurchdringliche Pallisaden entgegenstrecken, zum Rückzuge.

Ein anderer Vogel, der ebenfalls am Kap gefunden wird, baut für sich ein aus drei Abtheilungen bestehendes Haus, mit bogenförmigen Eingängen, ähnlich denen, deren sich die Römer in ihrem Baustyl bedienten. Dieser Vogel, eine Reiherart, heißt Scopus umbretta, baut sein Nest in einen Strauch oder vielmehr um einen Strauch, gibt ihm eine kreisförmige Gestalt und theilt es in drei Abtheilungen, die mittelst bogenförmiger Oeffnungen unter einander in Verbindung stehen. Er beginnt den Bau damit, daß er zuerst das Fachwerk seiner Wohnung aufrichtet und sich hierzu theils der, für seinen Plan geeigneten Zweige bedient, theils die vernichtet, die ihm hinderlich sind; dann sucht er kleine Reiser, um den Bau zu vollenden und gibt ihm eine

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_175.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)