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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

so große Regelmäßigkeit, daß ein Zimmermann darauf stolz sein könnte. Ist das Fachwerk vorbereitet, so schafft er Thon herbei, um die Zwischenräume auszufüllen und bedeckt zuletzt die Außenseite mit einem Ueberzug aus körniger Erde, vollkommen wasserdicht und so fest, das er dem Schnabel des stärksten Raubvogels widersteht. Wenn das Nest vollständig fertig ist, sieht es, wie ein kleines arabisches Zelt aus und ist, wie schon bemerkt, in drei Räume abgetheilt. Noch Niemand hat bis jetzt den Zweck der beiden ersten Räume entdecken können; sie sind stets sehr sauber und scheinbar unbewohnt. Im dritten Zimmer wohnt der Scopus umbretta. Hier, auf einem Lager von weichem Moose und Federn, legt das Weibchen ihre Eier und brütet die Jungen aus. Wenn ihr Männchen auf den Fischfang ausgeht, verschließt es sorgfältig die drei Thüren mit Steinen und kleinen Zweigen und mauert auf diese Weise seine Familie ein, um sie vor den Angriffen kriechender Thiere zu schützen. Kehrt es mit Vorräthen von Fischen zurück, so zerstört es mit dem Schnabel die Befestigung, wirft die Trümmer derselben sorgfältig bei Seite und schließt sich der Familie im innern Raume an. Bei irgend einem Geräusch oder einer drohenden Gefahr, eilt der Scopus umbretta sofort herbei und stellt sich vor den äußeren Eingang. Hier erwartet er mit vorgestrecktem Schnabel und zum Kampfe bereit den Feind, greift ihn an, ehe er in die Wohnung eindringen kann, und geht in der Regel als Sieger aus dem Kampfe hervor. Nicht selten findet man in der Nähe des Nestes todte Kriechthiere, die mit zerhackten Köpfen, den Trophäen des scharfsinnigen Vogels daliegen.

Man findet am Kap diese Nester so gewöhnlich wie bei uns die Nester der Hausschwalben, denen wir in der Regel zu geringe Aufmerksamkeit schenken, obgleich sie sich unter den Dachrinnen unserer Häuser befinden und wir nur nöthig hätten, unsere Augen zu ihnen zu erheben.




Denkmäler Göthe’s, Schiller’s und Wieland’s in Weimar. Wieder einmal wird dem deutschen Volke Gelegenheit geboten, einige seiner großen Todten in würdiger Weise zu ehren. Von Weimar aus, wo die vier genialsten Dichter Deutschlands, Göthe, Schiller, Herder und Wieland seiner Zeit innig verbunden untereinander lebten, ist so eben ein Aufruf zu Beiträgen für die obengenannten Denkmäler ergangen. Herder’s ehernes Standbild, das schon im Jahre 1850 errichtet wurde, stand seitdem wie mahnend da, daß man der andern drei Männer im Bunde nicht gedacht. Die drei Statuen, welche die Höhe von 10 Fuß rheinisch Maaß erhalten, werden im Costüm ihrer Zeit ausgeführt, und Schiller und Göthe, als die inniger befreundeten, zu einer besondern bedeutungsvollen Gruppe vereinigt. Das Modell zu letzterm Denkmal ist von Ernst Rietschel in Dresden in Ausführung genommen worden, das zum Standbilde Wieland’s führt Hans Gasser in Wien aus; das Erz zu sämmtlichen schenkt König Ludwig von Baiern aus seinen Vorräthen. Die Verehrer der drei großen Dichter endlich haben für die Kosten des Gusses, der Fußgestelle und der Aufrichtung etwa 12,000 Thaler aufzubringen, deren Sammlung durch den eben erfolgten Aufruf angestrebt wird.




Ein See im Gouvernement Kaluga. In der Provinz Kaluga, südöstlich von Moskau, befindet sich ein eigenthümlicher See, der in seiner Form einen Ellbogen beschreibt, nicht ganz eine halbe Stunde lang ist und die Richtung von Süden nach Norden hat. Das Eigenthümliche desselben besteht darin, daß die an seinen Ufern wachsenden Pflanzen und Gräser durch ein fortwährendes Vordringen das Wasser überwuchern. Zur Grundlage hat diese auf dem Wasser schwimmende Pflanzenwelt einiges Erdreich, das in den untereinander verschlungenen Wurzeln und Fasern zurückgehalten wird. Die unaufhörlich fortwuchernde Vegetation hat schon ziemliche Fortschritte gemacht, und macht darin jedes Jahr noch mehr, so daß mit der Zeit die ganze Fläche des Sees bedeckt sein, und dieser dann zu einer Art unsichtbaren Wasserbehälter umgewandelt sein wird. Auf der den See so allmälig überwachsenden Decke kann man gehen ohne Gefahr einzusinken, doch fühlt man bei jedem Schritt, daß dem Boden die gehörige Festigkeit fehlt. Tritt man fest mit dem Fuße auf, so dringt sofort das Wasser hervor und vertheilt sich über das Gras. Der See selbst ist ungewöhnlich tief, und halten sich in ihm eine Menge Fische auf, welche den umwohnenden Bauern zur Nahrung dienen. Der Fischfang wird jedes Mal im Winter vorgenommen, wenn die Mitte des Sees von einer soliden Eisdecke überzogen ist, und wo dann das Eis an verschiedenen Stellen, durch welche man die Netze in das Wasser hinunterläßt, aufgehackt wird.




Literarisches. Es war für den Freund der deutschen Literatur eben kein erfreulicher Anblick, als vor einigen Monaten sich zwanzig und dreißig buchhändlerische Firmen eines ausländischen Romans (Onkel Tom) bemächtigten und diesen in wohlfeilen und theuren, in illustrirten und löschpapiernen Uebersetzungen dem Publiko in jeder Weise anpriesen und durch Manipulationen und Kunststückchen aller Art aufzwangen. Aber dieser Roman, wenn auch als literarisches Produkt von sehr geringer Bedeutung, war doch in seiner Tendenz eine edle That und in seinen Erfolgen von so großem Einfluß, daß eine große Verbreitung nur wünschenswerth erscheinen mußte. Was soll man aber dazu sagen, wenn deutsche Buchhandlungen sich nicht schämen, notorische Schwindeleien und bereits entlarvte Betrügereien zur Grundlage ihrer Spekulation zu machen? Man lese das Börsenblatt. Dort wimmelt es bereits von Anzeigen, nächstens erscheinender Broschüren und Flugblätter über das „Geisterklopfen,“ dieser „merkwürdigen Naturerscheinung,“ die uns „einen so tiefen Blick in das Dunkel der Geisterwelt“ thun läßt. Das ist eine verwerfliche Spekulation auf den Aberglauben und die Dummheit des Volkes, die in keiner Weise zu entschuldigen ist. – Gervinus Geschichte der deutschen Dichtung ist vor einigen Tagen erschienen. Der berühmte Verfasser hat das Buch Dahlmann und den Gebrüdern Grimm gewidmet, auf daß diese daraus ersehen „daß er noch nicht ganz in politischen Wühlereien aufgegangen.“ Ueberhaupt spricht sich Gervinus in der Vorrede sehr entschieden über die gegen ihn verhängte Verfolgung aus.

E. K.  



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Schnellpressendruck von Giesecke & Devrient in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_176.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2020)