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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Ursache von den Aerzten so sehr empfohlene Mäßigung im Genusse des Weins überschritten werden könnte.

Als aber König August noch gleichsam zu guter Letzt einige Bouteillen Champagner verlangte, so gab Grumbkow, der diesen Wein selbst liebte, nach, und genoß dessen auch seinerseits so viel, daß er sich, indem er über den Hof des königl. Schlosses in sein Quartier ging, an einer Wagendeichsel eine Rippe zerbrach und sich daher in einem Tragsessel zum König August bringen lassen mußte, als dieser seine Reise des andern Morgens sehr früh fortsetzen und ihm noch einige Aufträge an König Friedrich Wilhelm geben wollte. Hierbei war der König von Polen, außer einem vorn geöffneten Hemd, nur mit einem kurzen polnischen Pelz bekleidet.

In eben diesem Aufzuge, nur mit geschlossenen Augen, erschien er am 1. Febr. 1733 früh, ungefähr um 3 Uhr, dem Feldmarschall von Grumbkow und sagte zu ihm:

„Mon cher Grumbkow! je viens de mourir ce moment à Varsovie.“[1]

Grumbkow, dem die Schmerzen des Rippenbruchs damals noch wenig Schlaf gestatteten, hatte unmittelbar zuvor bei dem Schein seiner Nachtlampe und durch seine dünnen Bettvorhänge bemerkt, daß sich die Thüre seines Vorzimmers, worin sein Kammerdiener schlief, öffnete, daß eine lange menschliche Gestalt hereinkommt, in langsam feierlichem Schritt um sein Bett herumgeht und seine Bettvorhänge schnell öffnet. Nun stand die Gestalt König August’s gerade so, wie Letzterer nur wenige Tage vorher lebendig vor ihm gestanden, vor dem erstaunten Grumbkow und ging dann, nachdem er obige Worte gesprochen hatte, wieder zu eben der Thür hinaus. Grumbkow klingelte und fragte den zur nämlichen Thür hereineilenden Kammerdiener, ob er den nicht auch gesehen habe, der so eben gerade da herein und hinaus gegangen sei? – der Kammerdiener hatte nichts gesehen.

Grumbkow schrieb sogleich den ganzen Vorgang an seinen Freund, den damals bei König Friedrich Wilhelms Hoflager befindlichen kaiserlich königlichen Gesandten und Feldmarschall, Grafen von Seckendorf, und bat Letzteren, die Sache dem König bei der Parade mit guter Art zu hinterbringen. Bei dem Gesandten von Seckendorf befand sich, als ihm das Grumbkow’sche Billet schon früh um 5 Uhr zukam, dessen Schwestersohn und Gesandschaftssekretair von Seckendorf, nachheriger Brandenburg-Anspachischer Minister und zuletzt kaiserlicher Geheimer Rath. Jener sagte zu diesem, indem er ihm das Billet zum Lesen darbot: „sollte man nicht denken, die Schmerzen hätten den alten Grumbkow zum Visionär gemacht? Ich muß aber den Inhalt dieses Billets noch heute dem König hinterbringen!“

Nach 40 Stunden (wo ich nicht irre) langte durch die von Warschau nach Berlin von 3 zu 3 Stunden unterlegten polnischen Ulanen und preußischen Husaren die Nachricht in Berlin an, daß der König von Polen in der nämlichen Stunde, wo Grumbkow jene Erscheinung gehabt hatte, zu Warschau gestorben sei.


  1. Mein lieber Grumbkow! ich bin so eben in Warschau gestorben.




Die Todtenuhr. „Pick, pick, pick!“ so hat es der Leser gewiß schon in der Stube oder im Schlafkämmerchen klingen gehört, wenn er allein war, und schon Mancher, welcher sich dieses Picken nicht enträthseln konnte, stammelte dabei voll Furcht und Angst die Worte: „Ach, das ist die Todtenuhr!“ – Allerdings ist sie es; jedoch eine ganz andere als die, welche in seinem Kopfe spukt; denn ein kaum drei Linien langes, schwarzbraunes Käferchen – die Todtenuhr oder der Holzwurm genannt – erzeugt die unschuldigen, dem Picken einer Taschenuhr vergleichbaren Töne, indem es seine starken Kiefer an einander schlägt. Es schadet nichts, wenn man sich zu jedem Pick, den das Thierchen hören läßt, einen Buchstaben denkt, bis ein ganzer Satz daraus wird, wie z. B. „Eins ist Noth“ oder „Bedenke das Ende“ oder „Zeit vergeht um Jahr um Jahr“ und andere sind. So ein Sprüchlein hat immer sein Gutes, und man kann nicht oft genug daran erinnert werden.

Weißt Du aber auch wohl, warum das Thierchen so pickt? – Das thut es, um sein Weibchen, sein Männchen oder auch einen andern seiner Kameraden herbeizurufen, also keineswegs aus dem lächerlichen Grunde, den Tod eines der Stubenbewohner verkündigen zu wollen und die Leute in Furcht und Angst zu setzen. Aber es kommt noch besser, und der Leser wird sich nicht wenig wundern, wenn ich ihm sage, daß der Holzwurm Jahr aus Jahr ein sein trockenes Brot, nämlich die Sägespäne ißt, die er selbst macht, und nichts dazu trinkt und doch nicht verdurstet. Wie das möglich ist, sagen uns die Naturforscher.

Sie haben nämlich gefunden, daß in dem Pflanzenstoffe zweierlei Wasser ist; eines, das man durch Pressen und Aufhängen in der Luft herausbringen kann, wie der Papiermacher aus dem Papiere, und ein anderes festgewordenes, das man nur durch Verbrennen herausbringen kann. Nimmt man z. E.[WS 1] ein leinenes Tuch, das 10 Pfd. wiegt und hängt’s einen ganzen Tag in die Sonne oder bringt’s in die stärkste Presse, die man hat, so könnte leicht Einer wetten, es wäre kein Tropfen Wasser mehr darin. Und doch müßte er seine Wette an den Scheidekünstler verlieren; denn der brächte das Tuch in ein Ding, gleich einer fest verschlossenen Branntweinblase, schürte Feuer darunter und brächte noch wenigstens 4 Pfd. Wasser heraus. Ebenso würde er auch aus einem Stück Holze, das 50 Pfd. schwer wäre und sei es noch so alt und trocken, doch noch 22 Pfd. Wasser herausnöthigen. Das kann aber der Magen des Holzwurms, der von dem Schöpfer dazu eingerichtet ist, noch besser als der Scheidekünstler, und Gott der Herr reicht also auch ihm das Wasserkrüglein, nur auf eine andere Weise als dem durstigen Wanderer an dem Brunnen.

Unser kleiner Käfer heißt aber auch noch Trotzkopf und führt diesen Namen mit demselben Rechte, wie der erste Minister den Namen Ministerpräsident. Bemerkt er nämlich, daß ein Menschenkind in seiner Nähe ist, so zieht er augenblicklich das Trotzköpflein unter die Kapuze, legt die Beine fest an den Leib und läßt sich dann weder durch Feuer, Wasser, noch irgend ein anderes Mittel, wär’s auch noch so grausam, bewegen, auch nur das geringste Lebenszeichen von sich zu geben. Und in einem solchen Zustand, verharrt er minuten-, ja stundenlang. Erst wenn er glaubt sicher zu sein und nicht mehr beobachtet zu werden, regt er

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Abkürzung: zum Exempel
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_217.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)