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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

hielten Herzog Albert und dessen Oheim Churfürst Wenzeslaus in Lüneburg ihren feierlichen Einzug, um die Huldigung der daselbst versammelten Landstände entgegen zu nehmen, die bestehenden Privilegien und Freiheiten zu bestätigen, und von diesem Tage an als des Landes rechtmäßige Herren zu verfahren.

Ernst und feierlich ging dieser für Lüneburg so wichtige Act vor sich, ohne jene lärmenden Lustbarkeiten für die niedere Volksmenge, welche damals so wie noch viele Jahre nachher bis zur neuesten Zeit im Gefolge derartiger Feierlichkeiten sich befanden; denn nicht wie friedliche Bürger, sondern zum Kampf gerüsteten Kriegsschaaren gleich, leisteten mit bewaffneter Hand Lüneburgs Bewohner den neuen Fürsten den Eid der Treue und Unterthänigkeit, wohl wissend, daß trotz dieses Wechsels der Herrscher schon die nächste Stunde den Kampf auf Leben und Tod mit Herzog Magnus herbeiführen konnte.

Treu seines Wortes ließ nach geschehener Huldigung der Bürgermeister von Weißenburg Elsbeth und Becker durch Priesterhand verbinden, still und prunklos, wie es den glücklich Neuvermählten um so willkommener war, und es der ernsten Zeit angemessen, deren nächste Zukunft eher wilde Stürme, als friedlich heitern Himmel versprach; und um ungetrennt von dem Vater zu leben, zog auf dessen Wunsch der neue Stadtobrist mit seiner Gattin in die wohnlichen Räume des Weißenburgischen Hauses.

Den Tag nach der Huldigung zogen die sächsischen Fürsten mit starker Heeresmacht gegen Magnus, welchem seit Kurzem das Kriegsglück wieder sich günstig gezeigt, und der mit reicher Beute beladen nach siegreichem Kampfe gegen die Bischöfe von Münster und Hildesheim nach Celle zurückgekehrt war, um von da aus gegen Lüneburg aufzubrechen. – Bei Winsen an der Lühe, wo Magnus einst gegen Mecklenburg so unglücklich gekämpft, mußte diesmal der Herzog Albert von Sachsen nach mehrstündigem heißen Kampfe dem Welfenfürsten das Schlachtfeld überlassen und in wilder Flucht sich nach Hannover wenden, wohin ihm Magnus Torquatus, verlockt durch zwei so schnell hintereinander errungene Siege, ungestüm folgte. – Hier aber wendete sich sein Glück; vereinigt mit dem Herzog von Mecklenburg schlug Albert von Sachsen den Braunschweiger Herzog in die Flucht, ließ die Lauenburg schleifen, und überließ die Trümmer dieser gefürchteten Zwingburg der Stadt Hannover zur Erweiterung ihrer Ringmauern. Herzog Magnus verlor in dieser Schlacht über 2000 seiner tapfersten Krieger, und mußte hinter den festen Wällen der damals so mächtigen Stadt Braunschweig Schutz suchen, mit welcher er durch Schenkung wichtiger Privilegien von Neuem sich geeinigt.

Wie wenig aber die kaiserlichen Achtserklärungen in jener wildbewegten Zeit fruchteten, beweist, daß trotzdem Herzog Magnus zu wiederholten Malen geächtet worden war, die sächsischen Fürsten dennoch bald nach jener Schlacht in einen Vergleich mit ihm sich einließen, nach welchem:

Herzog Albert und Churfürst Wenzeslaus von Sachsen Landesherren im Lüneburgischen bleiben sollten, so lange sie lebten; nach deren Tode aber die Successio daselbst alternative geschehen solle, also, daß sie allemal auf den Aeltesten der beiden Häuser – Braunschweig-Lüneburg nämlich und Niedersachsen – fallen müßte;

und da mit diesen Bestimmungen beide Theile zufrieden waren, so wurde von Kaiser Karl dem Vierten die über Magnus Torquatus ausgesprochene Achtserklärung zum zweiten Male zurückgenommen. Doch trotz dieses Bündnisses, durch welches die Stadt Lüneburg gegen alle Feindseligkeiten von Seiten des Herzogs von Braunschweig geschützt zu sein schien, konnte der rachsüchtige Welfenfürst dieser Stadt nicht vergessen, daß sie auf so kecke Weise sich der Festung auf dem Kalkberge bemächtigt, und bereitwillig unterstützte er die Raubzüge seiner Verbündeten, um der Stadt an Vermögen und Besitzthum, durch Plünderung und Niederbrennung ihrer Freihöfe und Meiereien Schaden zuzufügen.

(Schluß folgt.)




Zwei Stunden in einem Londoner Arbeitshause.

Einige englische Schriftsteller und öffentliche Volksredner haben wohl von Zeit zu Zeit den Versuch gemacht die Arbeitshäuser der Unions – diesen Zufluchtsstätten der hülfsbedürftigen Armen der Nation – mit dem schreckerregenden Namen „Bastille“ zu brandmarken. Die Bastille war, wie sich unsere geehrten Leser sehr wohl erinnern, das alte Staatsgefängniß von Paris, und der Schauplatz manches höchst tragischen Dramas. Es bestand aus acht verschiedenen Thürmen, welche vermittelst eines ungeheuren Mauerwerkes miteinander vereinigt waren, und das Ganze war dann zunächst mit einem 120 Fuß breiten und 25 Fuß tiefen Graben umgeben, und endlich folgte eine 36 Fuß hohe, dicke, steinerne Mauer. Die Thürme waren in verschiedene Etagen getheilt, welche wiederum kleine achteckige Zimmerchen enthielten, die vermittelst einer engen, offenen Schießscharte durch eine sechsfüßige Mauer höchst matt erleuchtet wurden. Da war kein Ofen oder sonstiger Heizapparat, kein Hausgeräth, mit Ausnahme eines eisernen Gitters, welches ungefähr 6 Zoll von dem Fußboden entfernt in waagerechter Stellung befestigt war und auf dem sich die Matratze des Gefangenen befand, auf der er des Tages in tiefster Einsamkeit saß und des Nachts – wenn er dazu Neigung fühlte – schlummerte, um von der verlornen Freiheit angenehm zu träumen.

Nun diese englischen Arbeitshäuser sind zweifelsohne etwas verschiedener Natur; sie sind keine Gefängnisse mit Wällen und Gräben umgeben, in deren finsteren Zellen Verbrecher in Banden und Fesseln ihre Vergehen gegen das Gesetz und die verletzte Gesellschaft abbüßen, sondern es sind vielmehr – wie wir bereits angedeutet haben – Zufluchtsstätte für bedürftige Arme, welche – vielleicht durch äußere Noth gezwungen – jedoch freiwillig eintreten und sie jeden Augenblick ganz nach Belieben verlassen können. Der Holzschnitt nebenanstehend giebt eine

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_222.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)