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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Mütter und Schullehrer sich das Gesagte zu Gemüthe zögen und bei der Erziehung der Kinder in Anwendung brächten. Vielleicht finden meine Worte auch bei Solchen Anklang, welche in ihrem Leben trotz vieles Heilkünstelns doch viel durch Krankheiten und den Tod gelitten haben. – Uebrigens sage ich mit Steudel: „ich hoffe nicht, daß man mir den Vorwurf machen wird, ich wollte die medicinische Wissenschaft herabsetzen, wenn ich die Blößen der Arzneikunst aufdecke; im Gegentheil, ich habe einen sehr hohen Begriff von Dem, was die Medicin leisten könnte und leisten sollte; ich meine, sie sollte, statt ein besonderes Gewerbe zum Kuriren von Kranken zu sein, zu einer Anstalt für das Gemeinwohl, zu einem Segen für die Menschheit werden, und auch das Publikum sollte nach und nach einsehen, was es von der Medicin zu erwarten und zu fordern berechtigt ist.“ (B.)  




Blätter und Blüthen.

Die verrückte Bettstelle. Die durch höhere Geisterhand verrückten Tische sind schon etwas Altes. Und wenn die Geisterklopfer es mit ihren gehorsamen Verstorbenen nicht weiter bringen, als zur Verdrehung von Tischen, ist die Hoffnung, daß sich die Geister zu Ostern und Michaelis beim Meublefuhrwerk nützlich machen könnten, eitel. Was aber die Kunst, Meubles und Menschen verrückt zu machen, betrifft, so ist sie durchaus nichts Neues. Wir kennen einen Gentleman in London, dessen ganzes Haus mit allen Meubles und Menschen aus höherer Magie besteht. Setzt man sich auf einen Stuhl, geht er auseinander und stellt sich in zwei Theilen neben dem Darniederliegenden auf. Der Tisch, auf welchen man sich stützt, verwandelt sich in ein Klavier, das von selbst spielt. Statt der Handschuhe, die ich aus meinem Hute nehmen wollte, zog ich ein Paar lebendige Kaninchen heraus. Und so ging’s fort; immer eine Zauberei nach der andern. Am Schlimmsten ging’s einem Irländer, der zum Besuche gekommen war und bei dem Zauberer die Nacht zubrachte. Nachdem er mit der größten Gastfreundschaft behandelt und verleitet worden war, bedeutend über den Durst zu trinken (wozu bei dem Irishman nie viel Verführung gehört) brachte man ihn in sein Schlafcabinet, ein hohes gothisches Zimmer mit einem ungeheuren, bis an die Decke reichenden Himmelbett. Das Bett selbst befand sich kaum 2 Fuß hoch über dem Fußboden, recht bequem für einen Irländer, der über den Durst getrunken hat. Man unterstützte ihn gebührlich im Auskleiden, machte es ihm möglichst bequem im Himmelbette, wünschte ihm gute Nacht und ließ ihn im Finstern.

Die Gesellschaft wurde jetzt mit der höhern Magie der Bettstelle bekannt gemacht. Vor der Thür in einem Winkel war eine Maschinerie angebracht, die auf den Druck einer Feder zu arbeiten anfing und das Bett innerhalb der 4 Pfosten langsam bis an die Decke schrob. Die schnarchenden Töne von innen waren das Zeichen zum Berühren der Feder. Der Schläfer befand sich bald in angemessener Höhe. Eine Minute darauf war das ganze Haus in fürchterlichem Aufruhr. Die Bedienung war auf Alles gut eingeübt. Man schrie Feuer! stieß, schleppte, rutschte, heulte und lärmte auf tausenderlei Art. Gleichzeitig ward dem Fenster des Irländers gegenüber im Hofe etwas Maculatur und kleines Holz in Brand gesteckt, daß es fürchterlich flackerte und loderte. Und der Hausherr schrie laut: „Gott im Himmel, wer rettet meinen armen Irländer! Die Flammen verzehren schon das Zimmer unter ihm!“

Es dauerte nicht lange, hörte man im Zimmer den gewünschten Fall und ein witziges Verwünschen und Fluchen aus dem Zimmer des Irländers. In einem Nu war das Feuer ausgelöscht und Alles mäuschen still. Jetzt wurde der Genuß für den Zauberer vollkommen. Der dicke, schwere Dialect des Irländers unterbrach allein die Stille der Nacht. Immer lauter und witziger schrie er um Hülfe. Nach einigen Minuten begaben sich ein Paar Diener im tiefsten Negligee und gähnend in das Zimmer und fragten, was ihm gefällig sei.

„Brennt’s denn nicht im Hause?“

„Brennen, Sir? Ich denke, kein Funke im Kamin ist noch lebendig.“

„Nun wozu denn also der Feuerlärm?“

„Sie müssen geträumt haben, Sir; keine Maus hat sich gerührt.“

„O wirklich! Dann sind es zwei Fälle: mein Traum ein Fall, und ich aus dem Bette Genitiv oder zweiter Fall.“

„Aus dem Bett gefallen, Sir? Ich hoffe, Sie haben sich nicht verletzt, das Bett ist ja Gott sei Dank so niedrig.“

„Ich denke nicht so niedrig von diesem Bett. Ich fiel wohl fünf Minuten lang, ehe ich hier unten ankam.“

„Sir, das ist Ihnen im Traume so vorgekommen. Sehen Sie, das Bett (das inzwischen wieder hinter dem Vorhange herunter gezaubert worden war) ist kaum 2 Fuß hoch.“

Der Irländer besah sich die Dimension und rief: „Nun dann haben meine Sinne allen Credit bei mir verloren.“ Er bat um Entschuldigung wegen der nächtlichen Störung, begleitete die Diener bis an die Thür, schloß sie und begab sich wieder zu Bett, welches freilich inzwischen wieder in die Höhe gewunden worden war. Draußen hatte man nun seine, wenn auch nicht christliche, doch höhere englische Gentlemen-Freude, zuzuhören, wie der Irländer inwendig im Finstern graspte, fluchte und Witze machte, daß es ihm nicht gelingen wollte, in’s Bett zu kommen. Er hob bald den rechten, bald den linken Fuß zuerst, um einzusteigen, kam aber immer wieder auf den Fußboden. Die ganze Bettstelle immer ein leerer Raum. Er dachte laut, wunderte sich, sprach von unberufener Geistereinmischung und daß er Mrs. Haydn verklagen wolle und dergleichen, bis man vernahm, daß er auf einem Stuhle sich zurecht rückte, um dort den Rest seines Rausches auszuschlafen.

Inzwischen hatte man das Bett wieder heruntergeschroben. Am Morgen besuchte ihn der Besitzer der Bettstelle, die er für sein Meisterwerk hielt, und wollte bald bersten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_227.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)