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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Wohlstand verbreitet zu sehen, der, wie er fast in jeder seiner Reden vorausgesagt, der Anerkennung und Ausführung seiner Grundsätze folgen werde und müsse. Richard Cobden gehört nicht zu den glänzenden Rednern, an denen England so reich ist; er spricht einfach und doch eindringlich, was ihm aber an oratorischem Schmucke abgebt, wird durch jene edle Freimüthigkeit ersetzt, die aus seinen Worten überall hervortritt und ihnen eine solche Kraft giebt, daß sie ihren Eindruck auf den Zuhörer selten verfehlen. Er ist ein praktischer, nüchterner und hochherziger Mann, der sich zu der hohen Mission berufen fühlt, für das Wohl der Menschheit zu wirken.




Spanische Reisebriefe.

Von
E. A. Roßmäßler.
IV.
Abschied von Barcelona und Küstenfahrt bis Alicante.


Am Bord des Mercurio im Grao von Valencia den 30. März. 

Nachdem ich zwei volle Wochen ziemlich unthätig in Cataloniens Hauptstadt zugebracht hatte, vergeblich auf besseres Wetter wartend und an ein von hier nach Alicante abgehendes Dampfboot der Gesellschaft „Navegaciony Industria“ durch Vertrag von Marseille an gebunden, veranlaßte mich zum Abschied mein verehrter Freund v. Gülich zu einem Ausfluge nach dem Tividavo, dem höchsten Punkte der Hügelkette, welche Barcelona nordöstlich umgiebt. Niemand, der nach einem kurzen Aufenthalt in dem schönen Barcelona dessen nächste Umgebung kennen gelernt hat, darf versäumen, vom Tividavo aus einen umfassenden Abschiedsblick auf eine der reizendsten Landschaften zu werfen, deren das schöne Spanien so viele besitzt.

Eine Tartane brachte uns bis zum Flecken San Gervasio, der schon ziemlich hoch gelegen ist. Von da aus erreichten wir in kaum einer Stunde den Gipfel des sanft ansteigenden Tividavo und gegen meine Erwartung fand ich auf dieser unbedeutenden Höhe, gewiß noch nicht 1000 Fuß über dem Meere, ein vollkommenes Rundgemälde von großer Ausdehnung. Vor mir, nach Süden zu, breitete sich die auch jetzt schon lachende Ebene aus, an deren Saume Barcelona am Meere liegt; ich sage: jetzt schon lachend, denn obgleich außer Oel- und Algarobabäumen des Baumlaubes noch entbehrend, war doch die Ebene mit üppigen Wintersaatfeldern bedeckt, aus denen zahllose kleine Ortschaften und Landhäuser hervorblickten. Hinter mir im Norden das ernste Gegenteil: eine düstere hundertgestaltige Berglandschaft, deren Ferne sich allmählig in graue Nebelwolken verbarg und mir auch den Anblick des Monserrat entzog, der sonst von hier in majestätischer Gestalt sichtbar ist. Doch mir ist gerade eine Beleuchtung, wie ich sie fand, viel erwünschter, als wenn die Sonne von einem wolkenlosen Himmel ihr Licht gleichmäßig über Alles ergossen hätte. Die Schatten der von einem ziemlich scharfen Luftzuge über den Himmel getriebenen Wolken zogen wie graue Gespenster über die ungeheure Ebene zwischen mir und dem Meere oder krochen wie Schlangen über die Unebenheiten der Berglandschaft hinter mir. In einer großen Landschaft, von bedeutender Höhe aus gesehen, ersetzen die Wolkenschatten die nicht mehr erkennbaren Gestalten der Thiere und Menschen, bringen in sie Leben und Abwechselung. Alles Einerlei wird langweilig: Glück wie Sonnenschein.

In San Gervasio wartete unsere Tartane und brachte uns schnell wieder nach Barcelona zurück. Wenn der Barcelonese eine Kutsche, – d. h. einen unseren Kutschen fast gleichen Wagen[1] – ein halbes Glück, una media fortuna, nennt, so möchte man im Gegensatz davon eine Tartane für ein ganzes Unglück zu halten geneigt sein, wenn man namentlich eine solche von einem feurigen Pferde durch die Löcher des Barcelonesischen Straßenpflasters gezogen und darin die hoch emporhüpfenden Insassen sieht. Es ist aber nicht ganz so schlimm wie es aussieht, wenngleich immer noch ziemlich schlimm. Eine Tartane ruht auf der Axe von zwei Rädern und hat einen von Wachstuch niedrig überwölbten länglichen Kasten, so daß sie einem Pulverkarren ziemlich ähnlich sehen würde, wäre sie nicht stets bunt und mit allerlei Zierratben angemalt. Die beiden Längsbänke der Tartanen ruhen auf starken Druckfedern, die einer vollständigen Bemannung einen leidlich angenehmen Sitz gewähren, einzelne Insassen aber wie einen Federball behandeln, wie es uns beiden erging.

Ich kann nicht von Barcelona in meinen Berichten scheiden, ohne noch ganz besonders dankend eines Mannes zu gedenken, der in mir deutsche Nation und Wissenschaft ehren zu müssen schien, welche beide er, für Spanier sehr ausnahmsweise, genau kannte. Es ist der Professor, oder wie es in Spanien heißt, Catedratico der griechischen Sprache an der hiesigen Universität, Don Antonio Bergnes de las Casas. Er hatte vor mehren Jahren in Verbindung mit noch einigen spanischen Gelehrten unter dem Namen „Germania“ eine Auswahl deutscher Werke zu übersetzen begonnen; allein die Herausgabe war, nachdem erst wenige Lieferungen erschienen waren, an den Machinationen des Klerus gescheitert.

Am Morgen des ersten Osterfesttages lichtete der Mercurio die Anker, um mich an dem herrlichen Panorama der Ostküste Spaniens hinzufahren. Das Wetter war anfangs hell und die bunte Abwechselung der vorübergleitenden Berge, unter denen lange Zeit der Monserrat die Hauptrolle spielte, gewährte mir eine angenehme Unterhaltung.


  1. Den er auch cocha nennt. Das ch wird stets wie tzsch sehr scharf ausgesprochen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_248.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)