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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

No. 31. 1853.
Die Gartenlaube.


Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 10 Ngr. zu beziehen.


Das fürchterliche Bett.

(Schluß.)

Das Gemälde übte eine Art von Gewalt über mich aus, ebenfalls nach oben – an meinen Betthimmel zu sehen. Es war ein dünner und nicht eben interessanter Gegenstand, so daß ich wieder auf das Gemälde zurückblickte. Ich zählte die Federn auf dem Hute des Mannes. Sie standen weit hervor, zwei grüne und drei weiße. Ich bemerkte die Krone auf seinem Hute, der von kegelförmiger Art war, nach der Weise, wie man angenommen, daß Guido Fawkes sie gern getragen habe. Ich dachte darüber nach, wohin er denn so nach oben sehe. Nach den Sternen konnte es nicht sein, denn ein solcher Desperado war weder Astrolog noch Astronom. Er mußte nothwendig nach dem hohen Galgen, in dem Augenblicke, wo er gehängt werden sollte, blicken. Sollte der Scharfrichter in den Besitz seines kegelförmigen Hutes und dessen Federschmuckes kommen? Ich zählte die Federn noch einmal. Drei weiße, zwei grüne.

Als ich noch bei dieser sehr lehrreichen und nützlichen Beschäftigung verweilte, fingen meine Gedanken an herumzuschweifen. Das Licht des Mondes, das in das Gemach schien, erinnerte mich an eine gewisse Mondscheinnacht in England – die Nacht nach einer Picnic-Parthie in einem Walliser Thale. Jeder Gegenstand bei dieser Heimkehr durch eine reizende Gegend, die durch den Mondschein noch reizender wurde, kehrte in meine Erinnerung zurück, ob ich gleich seit Jahren nicht mehr daran gedacht hatte, und wenn ich versucht hätte, es mir wieder in’s Gedächtniß zurückzurufen, es mir gewiß nur wenig oder gar nicht gelungen sein würde. Welche von allen den wunderbaren Fähigkeiten, die uns überzeugen, daß wir unsterblich sind, spricht wohl diese erhabene Wahrheit beredter aus als das Gedächtniß? Hier befand ich mich jetzt in einem fremden Hause von dem verdächtigsten Charakter, in einer Lage der größten Ungewißheit, ja Gefahr, welches den freien Gebrauch meines Gedächtnisses ganz gewiß nicht beförderte, und doch erinnerte ich mich ganz unwillkürlich an Orte und Personen und Gespräche und die kleinsten Umstände aller Art, welche ich für immer für vergessen gehalten haben würde, mir gewiß nicht absichtlich hätte zurückrufen können, selbst unter den allervortheilhaftesten Verhältnissen! Und welche Ursache hatte in Einem Augenblicke diese ganze seltsame, complicirte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_331.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2020)