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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

No. 34. 1853.
Die Gartenlaube.


Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 10 Ngr. zu beziehen.


Die Geisterbeschwörer in Berlin.

(Wirkliche Begebenheit aus den dreißiger Jahren.)

Die Religion der alten Aegyptier, d. h. die göttliche Verehrung alles Geheimnißvollen, zieht sich noch immer mächtig durch das Jahrhundert der Eisenbahnen, electrischen Telegraphen und Gaslaternen hin. In allen Ständen liebt man noch Geheimräthe, geheime Künste des Wahrsagens, Tischklopfens und Geisterbeschwörens. In einer so nüchternen Zeit als der unsrigen hat das Mystische sogar Aussicht auf besonders gute Geschäfte. Der Mensch liebt es, sich zuweilen einmal zu „graueln,“ wie er gern einmal Einen über den Durst trinkt, zumal wenn Wasser und Bier und Gesellschaft und Geschäfte schal sind. So nur erklärte ich mir die glänzenden Equipagen, die so oft in der Linienstraße zu Berlin vor der Wohnung des ehemaligen Schneiders Sohn, dem Wahrsager, und früher vor dem alten Hause in der Markgrafenstraße hielten, wo berühmte Geisterbeschwörerinnen ihr wunderbares Wesen trieben. Das Haus war gut gewählt: die Sage hatte es geweiht und mit einer mystischen Atmosphäre umgeben. Verschiedene Geschäfte und Juden waren darin, der Sage nach, seit Jahrhunderten immer unglücklich gewesen, zuletzt ein böhmischer Glasfabrikant, der mit einem Geheimnisse Spiegelgläser machte, wie Niemand in der Welt. Er machte die glänzendsten Geschäfte, hing sich aber doch eines Nachts mit seinem Geheimnisse auf und brachte das Haus so in Verruf, daß es 13 Jahre lang leer stand, bis es zwei geheimnißvolle alte Jungfern, die Niemand kannte, mietheten und schon dadurch allein in dem Heiligenscheine des Grauelmachenden erschienen.

Oft hieß es beim Weißbiere und einem kleinen Kümmel, daß sie mit dem russischen Gesandten in Verbindung ständen und mit völlig unbekannten Tropfen allerlei Krankheiten heilen könnten. Endlich wollte man wissen, daß sie Todte auferwecken und leibhaftig citiren könnten, so daß sie gefragt, mit hohler Stimme Antwort gäben.

Bald war in allen Kreisen von den Geisterbeschwörern die Rede, und als es hieß, ein citirter Verstorbener habe einen lebendigen Verwandten durch die Enthüllung, daß ihm die letzten 10,000 Thaler mit falschen Karten abgewonnen worden seien, die nun ihm, dem Ueberlebenden, gehörten und bei dem Schuldiger in Breslau abgeholt werden könnten, wirklich zu diesen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_363.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2020)